Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
her. Er sah mir sehr ähnlich … das gleiche …«
Es wird still im Auto. Eine graue und feuchte Ratte schleicht sich auf dem dunklen Bürgersteig an den Sträuchern voller Müll vorbei.
»Was wollten Sie mir erzählen?«, fragt Joona nach einer Weile.
Joakim reibt sich die Augen.
»Sind Sie sicher, dass Lydia Evers Johan umgebracht hat?«, fragt er mit schwacher Stimme.
Joona nickt.
»Ich bin mir sehr sicher«, antwortet er.
»Also gut«, flüstert Joakim Samuelsson und wendet Joona sein müdes, zerfurchtes Gesicht zu.
»Ich kenne sie«, sagt er schlicht. »Ich kenne sie sehr gut. Wir saßen damals in derselben Anstalt für jugendliche Straftäter.«
»Können Sie sich erklären, warum sie Johan entführt hat?«
»Ja«, sagt Joakim Samuelsson und schluckt schwer. »Damals, in der Anstalt … Lydia war erst vierzehn, als sie entdeckten, dass sie schwanger war. Die Verantwortlichen bekamen natürlich eine Heidenangst und zwangen sie, das Kind abzutreiben. Die Sache sollte unter den Teppich gekehrt werden, aber … Es gab Komplikationen, eine schwere Infektion in der Gebärmutter, die auf die Eierstöcke übergriff, aber Lydia wurde mit Penizillin behandelt und wieder gesund.«
Joakims Hände zittern, als er sie aufs Lenkrad legt.
»Nach der Zeit in der Anstalt zog ich mit Lydia zusammen. Wir wohnten in ihrem Haus in Rotebro und versuchten, Kinder zu bekommen, sie war geradezu besessen von der Idee. Aber es klappte nicht. Also ließ sie sich von einem Gynäkologen untersuchen. Ich werde nie vergessen, wie es war, als sie von dem Termin zurückkam und erzählte, dass sie auf Grund der Abtreibung keine Kinder bekommen konnte.«
»Sie haben Lydia in der Anstalt geschwängert«, sagt Joona.
»Ja.«
»Also waren Sie ihr ein Kind schuldig«, sagt Joona eher zu sich selbst.
50.
Sonntagmorgen, der zwanzigste Dezember,
vierter Advent
Es fällt Schnee, viel Schnee. An den Terminals des Stockholmer Flughafens haben sich Schneewehen gebildet. Die Landebahnen müssen immer wieder von Räumfahrzeugen freigemacht werden, die unablässig im Einsatz sind. Erik steht an der großen Fensterfront und betrachtet eine Reihe von Koffern, die in ein großes buntes Flugzeug gerollt werden.
Simone kommt mit Kaffee und einem Teller voller Lucia-Gebäck und Pfefferkuchen zu ihm. Sie stellt die beiden Kaffeetassen vor Erik ab und nickt anschließend zu der Fensterfront, hinter der die Flugzeuge sind. Sie beobachten eine Gruppe von Stewardessen, die zu einem Flugzeug unterwegs sind. Sie tragen rote Wichtelmützen, und der Schneematsch unter ihren Füßen scheint sie unverhältnismäßig zu stören.
Auf dem Fensterbrett in der Flughafencafeteria steht ein elektrischer Weihnachtsmann und bewegt rhythmisch die Hüften. Seine Batterie scheint zu schwächeln, denn seine Bewegungen werden immer spastischer, ruckartiger. Erik begegnet Simones Blick. Beim Anblick des wackelnden Weihnachtsmannes hebt sie ironisch die Augenbrauen.
»Die Kekse haben sie uns geschenkt«, sagt sie und starrt ins Leere. Dann fällt es ihr ein: der vierte Advent, es ist der vierte Advent.
Sie sehen sich an, ohne zu wissen, was sie sagen sollen. Plötzlich schreckt Simone auf und wirkt gequält.
»Was ist?«, fragt Erik.
»Das Faktorpräparat«, antwortet sie erstickt. »Wir haben es vergessen … wenn er dort ist, wenn er lebt …«
»Simone, ich …«
»Es ist zu viel Zeit vergangen … er wird sich nicht mehr auf den Beinen halten können …«
»Simone, ich habe es dabei«, sagt Erik. »Ich habe es mitgenommen.«
Sie sieht ihn mit rot unterlaufenen Augen an.
»Ist das wahr?«
»Kennet hat mich daran erinnert, er hat mich aus dem Krankenhaus angerufen.«
Simone hatte Kennet nach Hause gefahren. Sie denkt daran zurück, wie er aus dem Wagen stieg und anschließend der Länge nach in den Schneematsch fiel. Sie hatte gedacht, er wäre gestolpert, aber als sie hinauslief, um ihm beim Aufstehen zu helfen, war er kaum ansprechbar gewesen. Sie hatte ihn ins Krankenhaus gefahren, wo man ihn auf einer Trage hineingefahren hatte. Seine Reflexe waren schwach gewesen, seine Pupillen hatten verlangsamt reagiert. Der Arzt meinte, es handele sich um eine Kombination aus den Nachwirkungen der Gehirnerschütterung und extremer Überanstrengung.
»Wie geht es ihm?«, fragt Erik.
»Als ich bei ihm war, schlief er, aber der Arzt schien nicht sonderlich besorgt zu sein.«
»Gut«, meint Erik, betrachtet den elektrischen
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