Der Idiot
Rubel Gehalt bekommen. Mit dem Früheren zusammen werde
ich ihm im ganzen fünfunddreißig Rubel schuldig sein; somit werde ich
genug Geld haben, um ihm alles zu bezahlen. Na, mag er mir Prozente
abnehmen, soviel er will; hol's der Teufel! Kennt er mich denn etwa
nicht? Fragen Sie ihn selbst, Fürst: habe ich ihm nicht jedesmal, wenn
er mir früher geholfen hatte, das Geld zurückbezahlt? Warum will er
denn nun diesmal nicht? Er ist ärgerlich darüber, daß ich an diesen
Leutnant meinen Spielverlust bezahlt habe; das ist der einzige Grund!
So ein Mensch ist das; er gönnt weder sich noch einem andern etwas!«
»Und nun geht er nicht weg!« schrie Lebedjew. »Er hat sich hier hingelegt und geht nicht weg!«
»Das habe ich dir ja gesagt. Ich gehe nicht weg, ehe du mir nicht
das Geld gibst. Warum lächeln Sie, Fürst? Sie finden wohl, daß ich
unrecht habe?«
»Ich lächle nicht; aber meiner Ansicht nach haben Sie in der Tat bis
zu einem gewissen Grad unrecht«, antwortete der Fürst mit Widerstreben.
»So sagen Sie doch geradeheraus, daß ich ganz und gar unrecht habe,
und machen Sie keine gewundenen Redensarten! Was soll das heißen: ›bis
zu einem gewissen Grad‹?«
»Nun, wenn Sie wollen, so will ich auch sagen, daß Sie ganz und gar unrecht haben.«
»Wenn ich will! Lächerlich! Denken Sie denn, ich weiß nicht selbst,
daß meine Handlungsweise etwas Bedenkliches hat, daß das Geld ihm
gehört, daß er seinen freien Willen hat, und daß das, was ich tue, auf
Erpressung hinausläuft? Sie kennen das Leben nicht, Fürst. Wenn man auf
diese Leute nicht einen Druck ausübt, erreicht man nichts bei ihnen.
Man muß einen Druck auf sie ausüben. Mein Gewissen ist ja rein; ich
kann mit gutem Gewissen sagen: ich werde ihn nicht zu Schaden bringen;
ich werde ihm sein Geld mit Zinsen zurückerstatten. Er hat ja auch
schon eine gewisse seelische Befriedigung gehabt, indem er gesehen hat,
wie ich mich vor ihm erniedrigte. Was will er nun noch mehr? Wozu ist
er denn gut auf der Welt, wenn er niemandem nützt? Und ich bitte Sie,
was tut er denn selbst? Erkundigen Sie sich nur einmal, wie er andere
behandelt, und wie er die Leute betrügt! Wie ist er denn zu diesem Haus
gekommen? Ich lasse mir den Kopf abschneiden, wenn er Sie nicht schon
betrogen hat und nicht überlegt, wie er Sie noch weiter betrügen kann!
Sie lächeln? Sie glauben mir nicht?«
»Mir scheint, daß das alles mit Ihrer Sache nichts zu tun hat«, bemerkte der Fürst.
»Ich liege hier nun schon den dritten Tag, und was habe ich nicht
alles zu sehen bekommen!« rief der junge Mann, ohne auf ihn zu hören.
»Stellen Sie sich vor, daß er diesen Engel hier, dieses junge, jetzt
mutterlose Mädchen, meine Kusine, seine Tochter, verdächtigt und in
ihrem Schlafzimmer jede Nacht nach Liebhabern sucht! Auch zu mir
pflegte er leise hereinzukommen und unter dem Sofa, auf dem ich liege,
nachzusehen. Er ist vor Mißtrauen verrückt geworden; in jedem Winkel
sieht er Diebe. Die ganze Nacht über springt er jeden Augenblick aus
dem Bett, sieht nach den Fenstern, ob sie auch gut geschlossen sind,
faßt die Türen an, guckt in den Ofen, und so treibt er es jede Nacht
etwa siebenmal. Vor Gericht verteidigt er Gauner, und er selbst
verrichtet dreimal in jeder Nacht seine Gebete, hier im Salon; er liegt
dabei auf den Knien und schlägt halbe Stunden lang mit der Stirn auf
den Fußboden. Und für wen betet er nicht alles! Was redet er dabei
nicht alles in seiner Trunkenheit her! Er hat schon für das Seelenheil
der Gräfin Dubarry gebetet; ich habe es mit meinen eigenen Ohren
gehört; Kolja hat es auch gehört; er ist ganz verrückt geworden!«
»Sehen Sie nur, hören Sie nur, wie er mich beschimpft, Fürst!«
schrie Lebedjew, der ganz rot geworden und wirklich außer sich war.
»Aber das weiß er nicht, daß ich, der Trunkenbold und Liederjan, der
Räuber und Übeltäter, ihn, diesen Spötter, als er noch ein ganz kleines
Kind war, in Windeln gewickelt und in der Wanne gebadet habe, und daß
ich bei meiner verwitweten, bettelarmen Schwester Anisja, selbst ein
bettelarmer Mensch, die Nächte über ohne zu schlafen, aufgesessen und
sie beide in ihren Krankheiten gewartet und dem Hausknecht unten Holz
gestohlen und ihm Lieder vorgesungen und dazu mit den Fingern
geschnipst habe, und das alles mit hungrigem Magen! Ja, so habe ich ihn
gewartet und gepflegt, und nun lacht er über mich! Und was kümmert dich
das, wenn ich auch wirklich einmal für das Seelenheil der
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