Der Idiot
der Schweiz Verstand beibringen lassen, übrigens eine von
seinem Standpunkt aus logische Vorstellung: so ein Müßiggänger und
Proprietär konnte sich sehr wohl denken, daß man für Geld sogar
Verstand auf dem Markt kaufen könne, ganz besonders in der Schweiz.
Fünf Jahre lang befand sich nun der edle Sprößling zur Kur bei einem
bekannten Professor in der Schweiz; diese Kur kostete viele tausend
Rubel: der Idiot wurde dadurch natürlich nicht klug, aber doch, wie man
sagt, einem Menschen wenigstens so halbwegs ähnlich. Da stirbt P.
unerwartet früh. Ein Testament war natürlich nicht vorhanden; die
Vermögensverhältnisse befanden sich, wie das gewöhnlich der Fall ist,
in arger Unordnung; es stellte sich ein Haufe gieriger Erben ein, die
sich natürlich nicht im geringsten mehr um diesen letzten Sprößling
seines Geschlechtes kümmerten, den der Verstorbene aus Barmherzigkeit
in der Schweiz hatte von der Idiotie kurieren lassen wollen. Der junge
Edeling, Idiot wie er war, versuchte doch, seinen Professor zu
betrügen, und ließ sich, wie man erzählt, von ihm zwei Jahre lang
gratis behandeln, indem er ihm den Tod seines Wohltäters verheimlichte.
Aber der Professor war selbst ein schlauer Patron; das Ausbleiben der
Zahlungen und ganz besonders der starke Appetit seines
fünfundzwanzigjährigen faulenzenden Patienten machten ihn doch
schließlich stutzig; er gab ihm ein Paar alte Gamaschen von sich zum
Anziehen, schenkte ihm einen abgetragenen Mantel von sich und spedierte
ihn aus Barmherzigkeit dritter Klasse nach Rußland; so war die Schweiz
ihn losgeworden. Es könnte nun scheinen, als habe Fortuna unserem
Helden den Rücken gewendet. Das war jedoch nicht der Fall: Fortuna, die
ganze Gouvernements Hungers sterben läßt, schüttete auf einmal alle
ihre Gaben über diesen Aristokraten aus, wie in der Krylowschen Fabel
die Wolke über das ausgetrocknete Feld hinwegzieht und ihr Wasser in
den Ozean hinabschüttet. Fast in demselben Augenblick, als er aus der
Schweiz in Petersburg eintraf, starb in Moskau ein Verwandter seiner
Mutter (die natürlich aus dem Kaufmannsstand stammte), ein alter,
kinderloser, allein dastehender, langbärtiger Kaufmann und Sektierer,
und hinterließ eine Erbschaft von mehreren Millionen in barem Geld, die
(ja, das wäre etwas für uns beide, mich und Sie, lieber Leser!) in
ihrem ganzen Betrag unanfechtbar unserem jungen Edeling zufiel, der
sich in der Schweiz hatte von der Idiotie kurieren lassen! Na, nun
klang die Musik natürlich anders. Um unseren Baron in Gamaschen, der
schon angefangen hatte, einer bekannten Schönheit der Halbwelt den Hof
zu machen, sammelte sich auf einmal ein ganzer Schwarm von Freunden; es
fanden sich auch Verwandte ein und vor allem ganze Scharen vornehmer
Mädchen, die danach schmachteten, mit ihm in den Stand der heiligen Ehe
zu treten. Und was konnte man sich auch Besseres denken: ein
Aristokrat, ein Millionär, ein Idiot, also alle Vorzüge vereint; einen
solchen Mann kann man nicht einmal mit der Laterne finden oder auf Bestellung geliefert bekommen ...!«
»Das ... das übersteigt ja alles!« rief Iwan Fjodorowitsch in höchster Entrüstung.
»Hören Sie auf, Kolja!« rief der Fürst in flehendem Ton. Von allen Seiten erschollen verschiedenartige Ausrufe.
»Weiterlesen! Unter allen Umständen weiterlesen!« verlangte Lisaweta
Prokofjewna auf das allerbestimmteste; sie beherrschte sich
augenscheinlich nur mit größter Anstrengung. »Fürst, wenn du ihm das
Weiterlesen verbietest, bekommst du es mit mir zu tun!«
Es war nichts zu machen: mit heißem Gesicht, geröteten Wangen und
mit einer Stimme, die vor Aufregung zitterte, las Kolja weiter vor:
»Aber während unser neugebackener Millionär sozusagen im Schoß des
Glückes saß, geschah etwas von einer Seite her, von der es niemand
erwartet hatte. Eines schönen Morgens erscheint bei ihm ein Besucher,
mit ruhigem, ernstem Gesicht, mit höflicher, aber würdiger und
rechtlicher Redeweise, bescheiden und anständig gekleidet, in seiner
Denkart offenbar der fortschrittlichen Richtung angehörig, und erklärt
ihm in wenigen Worten den Grund seines Kommens: er ist ein bekannter
Advokat; er ist von einem jungen Mann mit der Vertretung seiner
Interessen beauftragt worden und kommt in dessen Namen. Dieser junge
Mann ist nicht mehr und nicht weniger als ein Sohn des verstorbenen P.,
obgleich er einen andern Namen trägt. Der Lüstling P. hatte in seiner
Jugend ein anständiges, armes Mädchen verführt,
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