Der Idiot
miteinander reden, daß wir
uns gegenseitig verstehen! Auf den Artikel will ich nicht weiter
eingehen, meine Herren; lassen wir ihn meinetwegen beiseite; nur ist ja
alles, was in dem Artikel gedruckt ist, unwahr, meine Herren! Ich darf
Ihnen das sagen, weil Sie es ja selbst wissen; man muß sich geradezu
schämen. Ich würde daher sehr verwundert sein, wenn einer von Ihnen das
geschrieben haben sollte.«
»Ich habe von dem Artikel bis auf diesen Augenblick nichts gewußt«, erklärte Ippolit. »Ich billige ihn nicht.«
»Ich habe zwar gewußt, daß er geschrieben war; aber ... ich hätte
ebenfalls nicht dazu geraten, ihn zu drucken, weil es noch zu früh
ist«, fügte Lebedjews Neffe hinzu.
»Ich habe es gewußt; aber ich habe ein Recht ... ich ...«, murmelte »Pawlischtschews Sohn«.
»Wie! Sie selbst haben das alles verfaßt?« fragte der Fürst, indem
er Burdowski gespannt anblickte. »Aber das ist doch ganz unmöglich!«
»Wir brauchen Ihnen aber keine Berechtigung zu solchen Fragen zuzugestehen«, mischte sich Lebedjews Neffe hinein.
»Ich habe mich ja nur gewundert, daß Herr Burdowski das fertig
gebracht hat ... aber ... ich möchte doch eines bemerken: wenn Sie
diese Sache schon der Öffentlichkeit übergeben hatten, warum fühlten
Sie sich denn dann vorhin so beleidigt, als ich in Gegen wart meiner
Freunde von eben dieser Sache zu reden anfing?«
»Endlich!« murmelte Lisaweta Prokofjewna ärgerlich.
»Und Sie haben sogar noch vergessen, Fürst«, bemerkte, plötzlich
zwischen den Stühlen hervorschlüpfend, Lebedjew, der sich nicht länger
beherrschen konnte und beinah fieberte, »Sie haben noch vergessen, daß
nur Ihr guter Wille und Ihre beispiellose Herzensgüte Sie veranlaßt
haben, diese Herren zu empfangen und anzuhören, und daß sie keinerlei
Recht haben, dies zu fordern, um so weniger, da Sie diese Angelegenheit
schon an Gawrila Ardalionowitsch zur Erledigung abgegeben haben,
ebenfalls infolge Ihrer außerordentlichen Güte. Jetzt aber,
durchlauchtigster Fürst, wo Sie sich inmitten Ihrer auserlesenen
Freunde befinden, dürfen Sie auf diese Gesellschaft nicht um dieser
Herren willen verzichten; Sie könnten allen diesen Herren ohne weiteres
die Tür weisen, worüber ich als Besitzer dieses Hauses mich sogar
außerordentlich freuen würde ...«
»Vollkommen richtig!« erscholl auf einmal aus dem Hintergrund General Iwolgins dröhnende Stimme.
»Genug damit, Lebedjew, genug damit, genug damit ...«, begann der
Fürst; aber ein ganzer Sturm unwilliger Ausrufe übertönte seine Worte.
»Nein, entschuldigen Sie, Fürst, entschuldigen Sie; jetzt darf es
nicht damit genug sein?« überschrie Lebedjews Neffe alle übrigen.
»Jetzt muß die Sache klar und bestimmt festgestellt werden, da sie
offenbar nicht richtig verstanden wird. Es sind hier juristische Finten
hineingebracht worden, und auf Grund dieser Finten droht man, uns zur
Tür hinauszuwerfen! Meinen Sie denn wirklich, Fürst, daß wir so dumm
wären, nicht selbst zu verstehen, daß unsere Sache sich nicht
gerichtlich verfolgen läßt, und daß wir vom juristischen Standpunkt aus
nicht berechtigt sind, auch nur einen Rubel von Ihnen zu verlangen?
Aber wir sagen uns, daß, wenn hier auch kein juristisches Recht
vorliegt, dafür doch ein menschliches, natürliches Recht vorhanden ist,
ein Recht des gesunden Verstandes und der Stimme des Gewissens, und
daß, wenn auch dieses unser Recht in keinem vermoderten menschlichen
Gesetzbuch geschrieben steht, doch ein anständiger, ehrenhafter Mensch,
was ganz dasselbe ist wie ein vernünftig denkender Mensch, verpflichtet
ist, auch in denjenigen Fällen anständig und ehrenhaft zu bleiben, die
in den Gesetzbüchern nicht verzeichnet stehen. Darum sind wir hierher
gekommen, ohne zu fürchten, daß man (womit Sie uns soeben gedroht
haben) uns deshalb aus der Tür werfen werde, weil wir nicht bitten,
sondern fordern, und weil unser Besuch zu so später Stunde unschicklich
ist (wiewohl wir eigentlich nicht so spät gekommen sind, sondern Sie es
waren, der uns in der Gesindestube solange warten ließ), darum, sage
ich, sind wir furchtlos hierher gekommen, weil wir annehmen, Sie seien
ein vernünftig denkender Mensch, das heißt ein ehrenhafter,
gewissenhafter Mensch. Ja, es ist wahr: wir sind nicht demütig
hereingekommen, nicht wie Schmarotzer und Bittsteller, sondern mit
erhobenem Kopf, wie freie Männer, und durchaus nicht mit einer Bitte,
sondern mit einer freien, stolzen Forderung (hören Sie:
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