Der Idiot
wandte sich an Antip Burdowski) »hatte ich schon vor einem
Monat Gawrila Ardalionowitsch Iwolgin zur Erledigung übergeben, wovon
ich Sie gleich damals benachrichtigt habe. Übrigens will ich einer
persönlichen Aussprache nicht ausweichen; nur werden Sie selbst
zugeben, daß es dazu schon etwas spät am Tage ist ... Ich möchte Ihnen
vorschlagen, mit mir in ein Zimmer zu gehen, wenn es nicht zu lange
dauert ... Hier sind jetzt meine Freunde, und seien Sie überzeugt ...«
»Freunde können dabei sein, soviel Sie wollen; aber erlauben Sie«,
unterbrach ihn plötzlich in sehr anmaßendem Ton, wiewohl ohne noch die
Stimme besonders zu erheben, Lebedjews Neffe, »erlauben Sie mir, Ihnen
zu bemerken, daß Sie uns hätten höflicher behandeln können und uns
nicht zwei Stunden lang in Ihrer Gesindestube hätten warten zu lassen
brauchen ...«
»Gewiß ... auch ich ... Das ist so recht fürstenmäßig! Sie freilich
... sind ein vornehmer Mann; aber ich ... bin nicht Ihr Lakai! Und ich
... ich ...«, murmelte Antip Burdowski in großer Aufregung, mit beben
den Lippen; Speicheltröpfchen flogen ihm aus dem Mund; es war, als wenn
er jeden Augenblick bersten und platzen wollte. Aber er überhastete
sich so, daß nach einem Dutzend Worten nichts mehr zu verstehen war.
»Das war so recht fürstenmäßig!« schrie Ippolit mit seiner kreischenden, rissigen Stimme.
»Wenn mir das passiert wäre«, brummte der Boxer, »das heißt, wenn
sich dieses Benehmen direkt gegen mich als anständigen Menschen
richtete, dann hätte ich an Burdowskis Stelle ... ja, dann hätte ich
...«
»Meine Herren, ich habe erst diesen Augenblick erfahren, daß Sie hier sind, bei Gott!« erwiderte der Fürst.
»Wir fürchten uns nicht vor Ihren Freunden, Fürst, wer es auch immer
sein mag, weil wir in unserm Recht sind«, erklärte wieder Lebedjews
Neffe.
»Gestatten Sie indessen die Frage«, kreischte wieder Ippolit, der
aber jetzt schon sehr hitzig geworden war, »welches Recht Sie haben,
Burdowskis Angelegenheit dem Urteil Ihrer Freunde zu unterbreiten? Wir
wünschen vielleicht gar nicht, daß Ihre Freunde darüber urteilen; es
ist nur zu klar, was das Urteil Ihrer Freunde für einen Wert hat ...!«
»Aber wenn Sie, Herr Burdowski, hier nicht zu sprechen wünschen«,
sagte der Fürst, als es ihm endlich gelang, zu Worte zu kommen (er war
über diesen Anfang des Gesprächs außerordentlich erstaunt), »so lassen
Sie uns, wie schon gesagt, gleich in ein Zimmer gehen. Davon aber, daß
Sie alle hier seien, habe ich, wie ich Ihnen nochmals bemerke, erst
diesen Augenblick gehört ...«
»Aber Sie haben kein Recht, Sie haben kein Recht, Sie haben kein
Recht ...! Ihre Freunde ... Da ...!« stotterte Burdowski von neuem. Er
sah scheu und ängstlich um sich und ereiferte sich immer mehr, je mehr
sein Selbstvertrauen sank und seine Furcht wuchs. »Sie haben kein
Recht.«
Nachdem er das gesagt hatte, schnappte er ganz plötzlich ab, als ob
er nichts weiter wüßte; und stumm seine kurzsichtigen, stark
hervorstehenden, mit dicken, roten Äderchen durchzogenen Augen
aufreißend, starrte er, mit dem ganzen Oberkörper vornübergebeugt, den
Fürsten an. Diesmal war der Fürst so verwundert, daß auch er verstummte
und ihn gleichfalls mit weitgeöffneten Augen, ohne ein Wort zu sagen,
ansah.
»Ljow Nikolajewitsch!« rief auf einmal Lisaweta Prokofjewna. »Lies
doch dies hier gleich einmal vor, augenblicklich! Das hat auf deine
Angelegenheit unmittelbaren Bezug!«
Sie hielt ihm eilig eine humoristische Wochenschrift hin und wies
mit dem Finger auf einen Artikel. Lebedjew war in dem Augenblick, als
die neuen Gäste noch im Hereinkommen begriffen waren, von der Seite zu
Lisaweta Prokofjewna herangesprungen, um deren Gunst er sich sehr
bemühte, hatte, ohne ein Wort zu sagen, aus der Seitentasche seines
Rocks diese Zeitschrift herausgezogen, sie ihr gerade vor die Augen
gehalten und auf eine angestrichene Spalte hingezeigt. Durch das, was
Lisaweta Prokofjewna bereits davon gelesen hatte, war sie in gewaltige
Verwunderung und Entrüstung versetzt worden.
»Wäre es aber nicht besser, es nicht laut zu lesen«, stammelte der
Fürst sehr verlegen; »ich würde es lieber für mich allein lesen ...
später ...«
»Dann lies du es lieber vor, sofort, laut! Laut!« wandte
sich Lisaweta Prokofjewna an Kolja und riß dem Fürsten die Zeitschrift,
die er noch kaum berührt hatte, ungeduldig aus den Händen. »Lies es
allen laut vor, damit es jeder hört.«
Lisaweta
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