Der Idiot
heißen?«
Sie wollte ihren Ohren nicht trauen.
»Ich wollte sagen ... ich wollte sagen«, erwiderte der Fürst
zitternd, »ich wollte Ihrem Fräulein Tochter nur erklären ... die Ehre
haben zu erklären, daß ich überhaupt nicht beabsichtigte ... die Ehre
zu haben, um ihre Hand zu bitten ... zu keiner Zeit ... Ich bin hierbei
ganz unschuldig, bei Gott, ganz unschuldig, Aglaja Iwanowna! Ich habe
es nie gewollt, und es ist mir nie in den Sinn gekommen; ich werde es
niemals wollen; das werden Sie selbst sehen; davon können Sie überzeugt
sein! Irgendein schlechter Mensch muß mich bei Ihnen verleumdet haben!
Seien Sie ganz beruhigt!«
Während er das sagte, näherte er sich dem aufgeregten Mädchen.
Diese nahm das Taschentuch weg, mit dem sie ihr Gesicht verhüllte,
warf einen schnellen Blick auf ihn und seine ganze erschrockene
Gestalt, wurde sich über den Sinn seiner Worte klar und lachte ihm auf
einmal gerade ins Gesicht, mit einem so lustigen, unbezwingbaren
Lachen, mit einem so komischen, spöttischen Lachen, daß als erste
Adelaida, namentlich nachdem sie ebenfalls den Fürsten angeblickt
hatte, sich nicht halten konnte, zu ihrer Schwester hinstürzte, sie
umarmte und in ein ebenso unaufhaltsames, backfischmäßig lustiges
Lachen ausbrach wie diese. Beim Anblick der beiden begann der Fürst
plötzlich zu lächeln und sagte mit fröhlicher, glückseliger Miene
mehrmals:
»Nun, Gott sei Dank, Gott sei Dank!«
Nun konnte sich auch Alexandra nicht mehr beherrschen und lachte von
ganzem Herzen. Es schien, als wollte dieses Gelächter der drei Mädchen
gar kein Ende nehmen.
»Na, sie sind verrückt!« murmelte Lisaweta Prokofjewna. »Erst jagen
sie einem einen Schreck ein, und dann ...« Aber jetzt lachte auch schon
Fürst Schtsch., auch Jewgeni Pawlowitsch lachte; Kolja lachte ohne
Aufhören, und beim Anblick des allgemeinen Gelächters lachte auch der
Fürst.
»Wir wollen spazierengehen, wir wollen spazierengehen!« rief
Adelaida. »Alle zusammen wollen wir gehen, und der Fürst muß unbedingt
mit uns mitkommen; Sie dürfen nicht weggehen, Sie lieber Mensch! Was
für ein lieber Mensch er ist, Aglaja! Nicht wahr, Mama? Ich muß ihn
notwendig, notwendig umarmen und ihm einen Kuß geben für ... für die
Erklärung, die er unserer Aglaja soeben gemacht hat. Liebe Mama,
erlauben Sie mir, ihm einen Kuß zu geben! Aglaja, erlaube mir, deinen
Fürsten zu küssen!« rief die Übermütige, sprang wirklich zu dem Fürsten
hin und küßte ihn auf die Stirn. Dieser ergriff ihre beiden Hände,
drückte sie kräftig, so daß Adelaida beinah aufschrie, sah ihr mit
grenzenloser Freude ins Gesicht, führte plötzlich schnell ihre Hand an
seine Lippen und küßte sie dreimal.
»Wir wollen gehen!« rief Aglaja. »Fürst, Sie sollen mich führen!
Darf das ein junger Mann tun, Mama, der mir einen Korb gegeben hat?
Ihre Absage an mich gilt ja doch wohl gleich für das ganze Leben,
Fürst? Aber doch nicht so! So gibt man einer Dame doch nicht den Arm!
Wissen Sie denn nicht, wie man einer Dame den Arm bietet? So macht man
das! Nun kommen Sie; wir wollen allen vorangehen; wollen Sie mit mir
vorangehen, tête-à-tête?«
Sie sprach ohne Pause und lachte dazwischen immer noch stoßweise.
»Gott sei Dank, Gott sei Dank!« sagte Lisaweta Prokofjewna ein Mal
über das andere, ohne selbst zu wissen, worüber sie sich eigentlich
freute.
»Ganz sonderbare Menschen!« dachte Fürst Schtsch. vielleicht zum
hundertsten Male, seit er sie kennengelernt hatte; aber ... diese
sonderbaren Menschen gefielen ihm. Was den Fürsten anlangte, so gefiel
ihm der vielleicht nicht sonderlich; Fürst Schtsch. machte ein sehr
ernstes Gesicht und schien nicht frei von Sorgen zu sein, als alle den
Spaziergang antraten.
Jewgeni Pawlowitsch befand sich anscheinend in heiterster
Gemütsstimmung; während des ganzen Weges zum Bahnhof unterhielt er
Alexandra und Adelaida mit den lustigsten Reden, und die jungen Damen
lachten mit ganz besonderer Bereitwilligkeit über seine Scherze, mit
einer solchen Bereitwilligkeit, daß ihm der Gedanke durch den Kopf
schoß, sie hörten auf das, was er sagte, vielleicht überhaupt nicht
hin. Infolge dieses Gedankens brach er plötzlich, ohne einen Grund
anzugeben, in ein lautes Gelächter aus, das ihm ganz von Herzen kam
(das lag nun einmal so in seinem Wesen!). Die beiden Schwestern, die
übrigens in einer Art von festtäglicher Stimmung waren, blickten
fortwährend nach Aglaja und dem Fürsten hin, die vor ihnen
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