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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Ohrfeige? Von wem ...? Und so früh am Morgen?«
    »So früh am Morgen?« versetzte Lebedjew spöttisch lächelnd. »Die
Zeit dabei spielt keine Rolle ... nicht einmal bei einer physischen
Bestrafung ... aber ich habe eine moralische ... eine moralische
Ohrfeige erhalten, und keine physische!«
    Er setzte sich ungeniert hin und begann zu erzählen. Seine Erzählung
war sehr unzusammenhängend; der Fürst wollte schon stirnrunzelnd
weggehen, als ihn plötzlich einige Worte frappierten. Er war starr vor
Verwunderung ... Herr Lebedjew erzählte gar zu seltsame Dinge.
    Anfangs handelte es sich anscheinend um irgendeinen Brief; dabei kam
Aglaja Iwanownas Name vor. Dann begann Lebedjew auf einmal sich bitter
über den Fürsten selbst zu beklagen; man konnte verstehen, daß er sich
von dem Fürsten beleidigt fühlte. Zuerst habe der Fürst hinsichtlich
seiner Beziehungen zu einer gewissen Person, Nastasja Filippowna, ihn
seines Vertrauens gewürdigt, dann aber sich ganz von ihm losgesagt und
ihn mit Schimpf und Schande weggejagt, und sogar in so beleidigender
Weise, daß er das letzte Mal eine harmlose Frage nach den nahe
bevorstehenden Veränderungen im Hause unhöflich zurückgewiesen habe.
Mit Tränen, wie Betrunkene sie leicht vergießen, gestand Lebedjew, nach
alledem habe er es nicht mehr aushalten können, um so weniger, da er
vieles wisse ... sehr vieles ... was ihm viele Personen mitgeteilt
hätten: Rogoschin und Nastasja Filippowna und Nastasja Filippownas
Freundin und Warwara Ardalionowna und ... und sogar Aglaja Iwanowna
selbst, »können Sie sich das vorstellen? durch Wjeras Vermittlung,
durch Vermittlung meiner geliebten Tochter Wjera, meiner einzigen
Tochter ... jawohl ... übrigens nicht meiner einzigen, denn ich habe
ihrer drei. Aber wer hat auf brieflichem Weg Lisaweta Prokofjewna
Mitteilungen zugehen lassen, sogar unter dem Siegel des allertiefsten
Geheimnisses, hehe? Wer hat sie von allen Beziehungen und Handlungen
jener Person, Nastasja Filippownas, benachrichtigt, hehehe? Gestatten
Sie die Frage: wer ist dieser Anonymus gewesen?«
    »Sind das wirklich Sie gewesen?« rief der Fürst.
    »Allerdings«, antwortete der Betrunkene würdevoll; »und erst heute
noch, um halb neun, erst vor einer halben Stunde ... nein, es ist schon
dreiviertel Stunden her, da habe ich die hochedle Mutter wissen lassen,
ich hätte ihr ein sehr wichtiges Begebnis mitzuteilen. Durch ein
Zettelchen habe ich sie es wissen lassen, durch das Dienstmädchen, von
der Hintertür aus. Sie hat mich empfangen.«
    »Sie haben soeben Lisaweta Prokofjewna gesehen?« fragte der Fürst, der kaum seinen Ohren traute.
    »Ich habe sie soeben gesehen und eine Ohrfeige er halten ... eine
moralische Ohrfeige. Sie gab mir den Brief zurück oder schleuderte ihn
mir vielmehr hin, ungeöffnet ..., und mich jagte sie mit Genickstößen
weg ... übrigens nur im moralischen Sinne ... beinah aber auch im
physischen; es fehlte nicht viel daran!«
    »Was war denn das für ein Brief, den sie Ihnen ungeöffnet hingeschleudert hat?«
    »Habe ich denn ... Hehehe! Aber ich habe es Ihnen ja noch nicht
gesagt! Ich glaubte, es Ihnen schon gesagt zu haben ... Ich hatte so
einen Brief zur Bestellung erhalten ...«
    »Von wem? An wen?«
    Aber es war sehr schwer, aus manchen »Erklärungen« Lebedjews klug zu
werden oder auch nur etwas davon zu verstehen. Der Fürst konnte nur
soviel begreifen, daß der Brief frühmorgens seiner Tochter Wjera von
einem Dienstmädchen zum Zweck der Bestellung an seine Adresse
ausgehändigt sei ... »ebenso wie schon früher ... ebenso wie schon
früher ein Brief von derselben Dame an eine gewisse Person ... (denn
ich nenne die eine von ihnen eine Dame und die andere nur eine Person,
um die letztere herabzusetzen und sie beide zu unterscheiden; denn es
ist ein großer Unterschied zwischen einer unschuldigen, hochedlen
Generalstochter und ... so einer Halbweltlerin); jener frühere Brief
war also von der Dame, deren Name mit dem Buchstaben A anfängt ...«
    »Wie ist das möglich? An Nastasja Filippowna? Unsinn!« rief der Fürst.
    »Doch, doch, an die war er, und wenn nicht an sie, so an Rogoschin;
das ist ganz dasselbe ... und es ist sogar einmal ein Brief, den die
Dame mit dem Buchstaben A an Herrn Terentjew geschrieben hatte, zur
Bestellung abgegeben worden«, sagte Lebedjew lächelnd und die Augen
zusammenkneifend.
    Da er häufig von einem Gegenstand in den andern hineingeriet und
vergaß, wovon er zu sprechen angefangen hatte, so

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