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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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einem erschrockenen kleinen Knaben macht, was dem Fürsten sehr
gefiel, und endlich veranlaßte er ihn, sich unmittelbar neben ihn zu
setzen. Der Fürst blickte ihm mit einem wonnigen Gefühl ins Gesicht und
war immer noch nicht imstande etwas herauszubringen, da ihm der Atem
fehlte; das Gesicht des Alten gefiel ihm außerordentlich.
    »Wie?« murmelte er endlich; »Sie verzeihen mir wirklich? Auch ... auch Sie, Lisaweta Prokofjewna?«
    Das Gelächter nahm zu; dem Fürsten kamen die Tränen in die Augen; er traute seinen Sinnen nicht; und war wie bezaubert.
    »Gewiß, es war eine schöne Vase. Ich erinnere mich, sie hier schon
seit ungefähr fünfzehn Jahren gesehen zu haben, ja ... seit fünfzehn
Jahren ...«, begann Iwan Petrowitsch.
    »Ach was! Was ist das für ein Unglück! Auch ein Mensch muß ja einmal
ein Ende nehmen; wie wird man da um einen irdenen Topf viel Wesens
machen!« sagte Lisaweta Prokofjewna laut. »Hast du denn wirklich einen
solchen Schreck bekommen, Ljow Nikolajewitsch?« fügte sie in besorgtem
Ton hinzu. »Laß es gut sein, liebster Freund, laß es gut sein! Du
ängstigst mich sonst wirklich.«
    »Und Sie verzeihen mir alles? Alles, auch abgesehen von
der Vase?« sagte der Fürst und wollte sich von seinem Platz erheben;
aber der Alte zog ihn sogleich an der Hand wieder nieder.
    Er wollte ihn nicht loslassen.
    »C'est très curieux et c'est très sérieux!« flüsterte er über den Tisch Iwan Petrowitsch zu, übrigens ziemlich laut.
    Der Fürst hatte es vielleicht gehört.
    »Ich habe also niemand von Ihnen beleidigt? Sie glauben gar nicht,
wie glücklich mich dieser Gedanke macht! Aber es konnte ja auch nicht
anders sein! Konnte sich denn hier jemand durch mich beleidigt fühlen?
Ich beleidige Sie wieder, indem ich so etwas auch nur denke.«
    »Beruhigen Sie sich, mein Freund; das ist eine Übertreibung. Sie
haben auch gar keinen Grund, sich so zu bedanken, das ist ja ein
schönes, aber übertriebenes Gefühl.«
    »Ich danke Ihnen auch gar nicht; ich sehe Sie nur voller Freude an
und fühle mich bei Ihrem Anblick so glücklich. Vielleicht rede ich
dumm; aber ... ich muß reden, ich muß Ihnen alles erklären ... wenn
auch nur aus Selbstachtung.«
    Alles an ihm war aufgeregt, unklar und fieberhaft; gut möglich, daß
die Worte, die er herausbrachte, oft nicht die waren, die er hatte
sagen wollen. Er schien mit seinem Blick zu fragen, ob er reden dürfe.
Sein Blick fiel auf die alte Bjelokonskaja.
    »Meinetwegen, lieber Freund, fahre nur fort, fahre nur fort; nur
komm nicht außer Atem!« bemerkte diese; »du hast auch vorhin schon
Atemnot gehabt, und du siehst ja, wie arg es damit geworden ist. Aber
fürchte dich nicht zu reden: diese Herren haben schon wunderlichere
Käuze gesehen, wie du einer bist; du setzt die weiter nicht in
Erstaunen. Und du bist ja auch gar nicht Gott weiß was für ein
Sonderling; du hast nur eine Vase zerbrochen und uns einen Schreck
eingejagt.«
    Der Fürst lächelte, als er sie das sagen hörte.
    »Sie waren es ja«, wandte er sich plötzlich an den Alten, »Sie waren
es ja, der vor drei Monaten den Studenten Podkumow und den Beamten
Schwabrin vor der Verschickung rettete?«
    Der Alte errötete sogar ein wenig und murmelte, er möge sich doch beruhigen.
    »Und über Sie habe ich im ...sker Gouvernement gehört«, wandte er
sich sofort an Iwan Petrowitsch, »daß Sie Ihren abgebrannten Bauern,
obwohl sie schon freigelassen waren und Ihnen Unannehmlichkeiten
bereitet hatten, umsonst Holz zum Bauen gegeben haben!«
    »Nun, das ist eine Ü-ber-treibung«, murmelte Iwan Petrowitsch, nahm aber, angenehm berührt, eine würdevolle Haltung an.
    Diesmal jedoch hatte er vollkommen recht damit, daß das eine
Übertreibung sei; es war nur ein unzutreffendes Gerücht gewesen, das
dem Fürsten zu Ohren gekommen war.
    »Und Sie, Fürstin«, wandte er sich auf einmal mit strahlendem
Lächeln zu der alten Bjelokonskaja, »haben Sie mich nicht vor einem
halben Jahr in Moskau auf Lisaweta Prokofjewnas Brief hin wie einen
leiblichen Sohn aufgenommen und mir wirklich wie einem leiblichen Sohn
einen Rat gegeben, den ich nie vergessen werde? Erinnern Sie sich wohl?«
    »Was redest du für tolles Zeug zusammen?« erwiderte die alte
Bjelokonskaja ärgerlich. »Du bist ein guter, aber komischer Mensch:
wenn man dir zwei Groschen schenkt, bist du so dankbar, als ob man dir
das Leben gerettet hätte. Du denkst, das ist lobenswert, aber es ist
widerwärtig.«
    Sie wollte schon ernstlich zornig

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