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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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und sogar um so peinlicher, je stärker die Besorgnis vor diesem Unheil war.«
    »Ja, gewiß ...«, murmelte der Fürst beinah fassungslos; »Ihre Memoiren würden ... sehr interessant sein.«
    Der General trug natürlich das vor, was er schon gestern Lebedjew erzählt hatte, und trug es daher sehr geläufig vor; aber an dieser Stelle schielte er wieder mißtrauisch nach dem Fürsten hin.
    »Meine Memoiren«, sagte er, indem er eine noch würdevollere Haltung annahm; »ich soll meine Memoiren schreiben? Das hat mich nicht verlocken können, Fürst! Indes, wenn Sie wollen, so sind meine Memoiren schon geschrieben; aber ... sie liegen in meinem Schreibtisch. Wenn man mir Erde auf die Augen geschüttet haben wird, dann mögen sie erscheinen, und dann werden sie ohne Zweifel auch in andere Sprachen übersetzt werden, nicht wegen ihres literarischen Wertes, nein, aber wegen der Wichtigkeit der gewaltigen Ereignisse, deren Augenzeuge ich, obwohl noch ein Kind, gewesen bin. Aber gerade das kam mir zustatten: eben weil ich nur ein Kind war, konnte ich sozusagen in das innerste Schlafgemach des großen Mannes eindringen! Ich hörte nachts das Stöhnen dieses ›Riesen im Unglück‹; vor einem Kind konnte er sich nicht schämen zu stöhnen und zu weinen, obgleich ich bereits verstand, daß die Ursache seiner Leiden das Stillschweigen des Kaisers Alexander war.«
    »Aber er hat ja doch Briefe an ihn geschrieben ... mit Friedensangeboten ...«, schaltete der Fürst schüchtern ein.
    »Wir wissen eigentlich nicht, was für Angebote er ihm geschrieben hat; aber er schrieb täglich, stündlich, einen Brief nach dem andern! Er regte sich furchtbar auf. Einmal in der Nacht, als wir beide allein waren, stürzte ich weinend zu ihm hin (oh, ich liebte ihn!) und rief: ›Bitten Sie den Kaiser Alexander um Verzeihung!‹ Ich hätte mich ja freilich so ausdrücken sollen: ›Versöhnen Sie sich mit dem Kaiser Alexander!‹, aber weil ich ein Kind war, sprach ich meinen Gedanken in jener naiven Weise aus. ›O mein Kind‹, antwortete er (er ging im Zimmer auf und ab), ›o mein Kind!‹ (Er schien es damals öfters nicht zu beachten, daß ich erst zehn Jahre alt war, und unterhielt sich gern mit mir.) ›O mein Kind, ich bin bereit, dem Kaiser Alexander die Füße zu küssen; dagegen werde ich den König von Preußen und den Kaiser von Österreich lebenslänglich hassen. Indes ... du verstehst schließlich nichts von Politik!‹ Er schien sich plötzlich zu erinnern, mit wem er sprach, und verstummte; aber seine Augen sprühten noch lange Zeit Funken. Wollte ich all diese Tatsachen berichten (und ich war auch bei den allerwichtigsten Ereignissen Zeuge) und den Bericht jetzt herausgeben, dann all diese Kritiken, all diese verletzte literarische Eitelkeit, all dieser Neid, das Parteitreiben und ... nein, dafür bedanke ich mich!«
    »Was Sie von dem Parteitreiben gesagt haben, ist natürlich richtig, und ich kann Ihnen darin nur beistimmen«, antwortete der Fürst leise, nachdem er einen Augenblick geschwiegen hatte. »Ich habe vor kurzer Zeit das Buch von Charras über den Waterloo-Feldzug gelesen. Es ist offenbar ein ernstes Buch, und Fachmänner versichern, daß es mit außerordentlicher Sachkenntnis geschrieben sei. Aber auf jeder Seite schimmert die Freude des Verfassers über Napoleons Demütigung hindurch, und wenn es möglich wäre, dem Kaiser auch bei den übrigen Feldzügen jede Spur von Talent abzusprechen, so würde sich Charras darüber anscheinend höchlichst freuen; aber das macht bei einem so ernsten Werk einen schlechten Eindruck, weil es eine parteiische Denkungsart ist. Waren Sie damals durch Ihren Dienst beim Kaiser sehr in Anspruch genommen?«
    Der General war entzückt. Die Bemerkung des Fürsten hatte durch ihren Ernst und ihre Schlichtheit den letzten Rest seines Mißtrauens zerstreut.
    »Charras! Oh, ich war selbst empört! Ich schrieb gleich damals an ihn; aber ... ich kann mich jetzt eigentlich nicht mehr recht erinnern ... Sie fragen, ob mich der Dienst sehr in Anspruch nahm. O nein! Ich hieß zwar Kammerpage; aber ich faßte das schon damals nicht als ein ernstes Amt auf. Zudem mußte Napoleon sehr bald alle Hoffnung aufgeben, daß es ihm gelingen werde, die Herzen der Russen für sich zu gewinnen, und so hätte er schließlich auch mich vergessen, den er aus politischen Erwägungen an sich herangezogen hatte, wenn ... wenn er mich nicht persönlich liebgewonnen hätte; ich spreche das jetzt kühn aus. Mich zog

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