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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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erwiderte der Fürst mit einer geringschätzigen Handbewegung.
    »Und wie sie Ihnen gehorchte ...«
    »Inwiefern gehorchte?«
    »Sie sagten ihr, sie solle sich schämen, und darauf änderte sie sofort ihr ganzes Benehmen. Sie üben auf sie einen gewaltigen Einfluß aus, Fürst«, fügte Warja mit einem leisen Lächeln hinzu.
    Die Tür öffnete sich, und ganz unerwartet trat Ganja ein.
    Er wurde in seinem Entschluß nicht einmal wankend, als er Warja erblickte; nachdem er eine kleine Weile auf der Schwelle gestanden hatte, ging er entschlossen auf den Fürsten los.
    »Fürst, ich habe mich unwürdig benommen; verzeihen Sie mir, liebster Freund!« sagte er mit wahrer Empfindung.
    Seine Gesichtszüge drückten einen starken Schmerz aus. Der Fürst sah ihn erstaunt an und antwortete nicht sogleich.
    »Nun, verzeihen Sie mir doch, verzeihen Sie mir doch!« drängte Ganja ungeduldig. »Wenn Sie es verlangen, küsse ich Ihnen sofort die Hand!«
    Der Fürst war außerordentlich überrascht und umarmte Ganja schweigend. Beide küßten einander herzlich.
    »Ich hätte nie, nie gedacht, daß Sie ein solcher Mensch sind«, sagte der Fürst endlich, nur mühsam Atem holend. »Ich meinte, Sie seien ... dessen nicht fähig.«
    »Einer Bitte um Verzeihung ...? Wie bin ich nur heute dazu gekommen, Sie für einen Idioten zu halten! Sie bemerken vieles, was andere Menschen niemals beachten. Ich könnte mit Ihnen etwas besprechen; aber ... es ist doch wohl besser, wenn ich es nicht tue!«
    »Da ist noch jemand, bei dem Sie sich entschuldigen sollten«, sagte der Fürst, auf Warja weisend.
    »Nein, die sind nun einmal meine Feinde. Glauben Sie mir, Fürst, ich habe oft versucht, unser Verhältnis zu bessern; aber aufrichtige Verzeihung sucht man da vergebens!« rief Ganja heftig.
    Er wandte sich von Warja ab, so daß er ihr die Seite zukehrte.
    »Nicht doch, ich verzeihe dir«, sagte Warja plötzlich.
    »Und wirst du heute abend zu Nastasja Filippowna kommen?«
    »Wenn du es verlangst, werde ich hinkommen; aber überlege selbst, ob ich nach dem Vorgefallenen überhaupt eine Möglichkeit habe, dort zu erscheinen.«
    »Sie ist ja doch nicht so, wie sie sich gab. Du siehst ja, sie will einem immer Rätsel aufgeben! Spiegelfechterei!«
    Ganja lächelte boshaft.
    »Ich weiß selbst, daß sie nicht so ist und daß sie Spiegelfechterei treibt; aber was für welche! Und dann bedenke noch eines, Ganja: wofür hält sie dich selbst? Mag auch vieles an ihrem Benehmen nur Spiegelfechterei sein, und mag sie auch Mama die Hand geküßt haben: aber sie hat sich doch über dich lustig gemacht! Das wird durch die fünfundsiebzigtausend Rubel nicht aufgewogen, Bruder, wahrhaftig nicht! Du bist noch anständiger Empfindungen fähig; darum sage ich dir das. Fahre du doch auch selbst nicht hin! Hüte dich vor ihr! Das kann nicht gut ausgehen!«
    Nach diesen Worten verließ Warja schnell in großer Aufregung das Zimmer.
    »So sind meine Mutter und meine Schwester immer!« sagte Ganja lächelnd. »Ob sie wirklich denken, daß ich das nicht auch selbst weiß? Ich weiß es sogar weit besser als sie.«
    Als Ganja das gesagt hatte, setzte er sich auf das Sofa mit dem offensichtlichen Wunsch, seinen Besuch noch länger auszudehnen.
    »Wenn Sie das selbst wissen«, fragte der Fürst recht schüchtern, »warum haben Sie sich dann zu einer solchen Marter entschlossen, von der Sie selbst glauben, daß sie durch fünfundsiebzigtausend Rubel tatsächlich nicht aufgewogen wird?«
    »Davon möchte ich nicht reden«, murmelte Ganja. »Aber apropos, sagen Sie mir doch, wie Sie selbst darüber denken; ich möchte gern Ihre Meinung darüber kennenlernen: wird diese ›Marter‹ durch fünfundsiebzigtausend Rubel aufgewogen oder nicht?«
    »Meiner Ansicht nach nicht.«
    »Nun, das ließ sich denken. Und unter solchen Umständen zu heiraten, muß man sich schämen?«
    »Allerdings, sehr.«
    »Nun, dann mögen Sie wissen, daß ich sie heiraten werde, jetzt ganz sicher. Vorhin war ich noch schwankend, aber jetzt nicht mehr. Sagen Sie kein Wort! Ich weiß, was Sie sagen wollen ...«
    »Ich will nicht über denjenigen Punkt reden, von dem Sie annehmen, daß ich mich über ihn äußern wolle; ich wundere mich nur über Ihre außerordentliche Zuversicht ...«
    »Zuversicht worauf? Was für eine Zuversicht?«
    »Daß Nastasja Filippowna Sie bestimmt heiraten wird und die ganze Sache bereits feststeht, und zweitens, auch wenn sie Ihre Frau werden sollte, daß die fünfundsiebzigtausend

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