Der Idiot
mit einem eigentümlichen Lächeln in Empfang genommen worden. Ferdyschtschenko war von allen Gästen der einzige, der sich in heiterer, festtäglicher Stimmung befand; er lachte manchmal laut ohne sichtbaren Grund, lediglich weil er auf eigene Faust die Rolle des Spaßmachers übernommen hatte. Afanasi Iwanowitsch selbst, der für einen geistreichen, eleganten Plauderer galt und in früherer Zeit bei diesen Abendgesellschaften gewöhnlich das Gespräch geleitet hatte, befand sich offenbar nicht in der rechten Stimmung und sogar in einer ihm sonst fremden Verwirrung. Die andern Gäste, die übrigens wenig zahlreich waren (ein jämmerlicher, alter Lehrer, der Gott weiß weshalb eingeladen war; ein unbekannter, sehr jugendlicher Mensch, der furchtbar schüchtern war und die ganze Zeit über schwieg; eine gewandte, etwa vierzigjährige Dame, Schauspielerin; und eine außerordentlich hübsche, sehr schön und luxuriös gekleidete und überaus stille junge Frau), vermochten das Gespräch nicht sonderlich zu beleben, ja, sie wußten manchmal gar nicht, wovon sie sprechen sollten. Unter diesen Umständen kam das Erscheinen des Fürsten sogar sehr gelegen. Die Meldung von seiner Ankunft rief einige Verwunderung und ein eigentümliches Lächeln hervor, namentlich als die Gäste an Nastasja Filippownas erstauntem Gesicht merkten, daß es ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen war, ihn einzuladen. Aber nach diesem ersten Erstaunen bekundete Nastasja Filippowna auf einmal eine solche Freude, daß die Mehrzahl der Anwesenden sich sogleich anschickte, den unerwarteten Gast mit Lachen und Heiterkeit zu empfangen.
»Er tut das allerdings aus Naivität«, bemerkte Iwan Fjodorowitsch Jepantschin, »und es ist jedenfalls nicht ungefährlich, solche Neigungen zu ermutigen; aber im gegenwärtigen Augenblick ist es wirklich nicht übel, daß er auf den Einfall gekommen ist, hier zu erscheinen, wenn auch in so origineller Manier. Er wird vielleicht zu unserer Erheiterung beitragen, soweit ich wenigstens über ihn urteilen kann.«
»Das muß er um so mehr, da er sich eingedrängt hat!« fügte Ferdyschtschenko rasch hinzu.
»Wie soll das damit zusammenhängen?« fragte der General trocken, der Ferdyschtschenko nicht leiden konnte.
»Er muß eben Eintrittsgeld bezahlen«, erwiderte dieser erläuternd.
»Nun, Fürst Myschkin ist denn doch kein Ferdyschtschenko«, konnte sich der General nicht enthalten zu entgegnen. Er konnte sich immer noch nicht darein finden, daß er sich mit Ferdyschtschenko in ein und derselben Gesellschaft befinden und mit ihm auf gleichem Fuß verkehren sollte.
»Ei, ei, General, vergreifen Sie sich nicht an Ferdyschtschenko«, antwortete dieser schmunzelnd. »Ich habe hier meine besonderen Privilegien.«
»Was für Privilegien?«
»Ich hatte das vorige Mal die Ehre, es der Gesellschaft ausführlich auseinanderzusetzen, und will es jetzt für Euer Exzellenz noch einmal wiederholen. Wollen Euer Exzellenz folgendes erwägen: alle Menschen sind geistreich; nur ich besitze diese Eigenschaft nicht. Zum Ausgleich habe ich mir die Erlaubnis erwirkt, die Wahrheit sagen zu dürfen, da allen bekannt ist, daß die Wahrheit nur Leute sagen, denen es an Geist mangelt. Außerdem bin ich ein sehr rachsüchtiger Mensch, und zwar wieder eben deswegen, weil ich nicht geistreich bin. Ich ertrage demütig jede Beleidigung, aber nur so lange, bis es meinem Beleidiger einmal schiefgeht; sowie das eintritt, erinnere ich mich sofort an die Beleidigung und räche mich irgendwie; ich schlage aus, wie Iwan Petrowitsch Ptizyn einmal von mir sagte, der natürlich für seine Person nie gegen jemand ausschlägt. Kennen Euer Exzellenz die Krylowsche Fabel ›Der Löwe und der Esel‹? Na, die paßt auf uns beide, auf Sie und mich; die ist auf uns zugeschnitten.«
»Sie sind wohl wieder einmal ins Faseln gekommen, Ferdyschtschenko!« fuhr der General auf.
»Aber was haben Sie denn, Exzellenz?« erwiderte Ferdyschtschenko, der darauf gerechnet hatte, ein Wortgefecht herbeizuführen und weiter zu salbadern. »Beunruhigen Sie sich nicht, Exzellenz; ich kenne meinen Platz: wenn ich sagte, daß Sie und ich der Löwe und der Esel aus der Krylowschen Fabel seien, so übernehme ich natürlich die Rolle des Esels und Euer Exzellenz die des Löwen, wie es ja auch in der Krylowschen Fabel heißt:
›Der mächt'ge Leu, der einst die Wälder
Erschreckte, war nun altersschwach.‹
Ich aber, Exzellenz, bin der Esel.«
»Mit letzterem bin ich
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