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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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also, leben Sie wohl!« sagte er plötzlich schroff. »Sie meinen wohl, es wird mir leicht, Ihnen Lebewohl zu sagen? Haha!« lachte er, selbst ärgerlich über seine ungeschickte Frage. Dann fügte er, wie ergrimmt darüber, daß es ihm nie recht gelang, zu sagen, was er wollte, laut und gereizt hinzu: »Exzellenz, ich habe die Ehre, Sie zu meinem Begräbnis einzuladen, wenn Sie mich dieser Ehre würdigen wollen, und... nach dem General auch Sie alle, meine Herrschaften!...«
    Er lachte wieder auf, aber das war schon das Lachen eines Irren. Lisaweta Prokofjewna trat erschrocken an ihn heran und faßte ihn bei der Hand. Er sah sie starr an, mit demselben Lachen, das aber nicht mehr fortdauerte, sondern gleichsam innehielt und auf seinem Gesicht erstarrte.
    »Wissen Sie wohl, daß ich hierhergekommen bin, um Bäume zu sehen? Diese Bäume hier...« (Er wies auf die Bäume des Parks.) »Ist das nicht lächerlich, wie? Eigentlich ist dabei doch nichts lächerlich?« fragte er Lisaweta Prokofjewna ernst und überließ sich wieder seinen Gedanken. Dann, einen Augenblick darauf, hob er den Kopf in die Höhe und begann eifrig mit den Augen unter den Anwesenden zu suchen. Er suchte Jewgenij Pawlowitsch, der ganz in der Nähe, rechts von ihm, auf demselben Fleck stand wie vorher; er hatte das jedoch bereits vergessen und suchte ihn ringsumher. »Ah, Sie sind nicht fortgegangen!« sagte er, als er ihn endlich gefunden hatte. »Sie haben sich vorhin darüber lustig gemacht, daß ich eine Viertelstunde lang aus dem Fenster sprechen wollte... Aber wissen Sie, ich bin noch nicht achtzehn Jahre alt: ich habe so viel auf dem Bett gelegen und so viel durch dieses Fenster geschaut und so viel nachgedacht... über alles mögliche... daß... Ein Toter hat kein Alter, wie Sie wissen; noch in der vorigen Woche habe ich darüber nachgedacht, als ich in der Nacht aufgewacht war... Wissen Sie aber, was Sie am meisten fürchten? Am meisten fürchten Sie unsere Aufrichtigkeit, obwohl Sie uns verachten! Auch das habe ich damals in der Nacht im Bett überlegt... Sie meinen, ich hätte mich vorhin über Sie lustig machen wollen, Lisaweta Prokofjewna? Nein, ich habe mich nicht über Sie lustig gemacht; ich wollte Sie nur loben... Kolja hat mir gesagt, der Fürst habe Sie ein Kind genannt... Das ist gut... Ja, was hatte ich doch noch... ich wollte noch etwas sagen...« Er bedeckte das Gesicht mit den Händen und dachte nach. »Das war's: als Sie vorhin Abschied nahmen, da dachte ich auf einmal: da sind nun diese Menschen, und sie werden für immer vergehen, für immer! Und diese Bäume auch. Nur die Backsteinwand wird bestehen bleiben, die rote Backsteinwand des Meyerschen Hauses... meinem Fenster gegenüber... Nun, sprich ihnen einmal von alledem... versuch es, rede davon; da ist ein schönes Mädchen... du bist ja ein Toter, stelle dich als Toter vor; sage, daß ›ein Toter alles sagen darf‹... und daß es ihn nicht mehr kümmert, ob die Fürstin Marja Alexejewna schilt, haha! ... Sie lachen doch nicht?« Er ließ seinen Blick mißtrauisch über alle hinschweifen. »Wissen Sie, wenn ich so im Bett lag, da kamen mir viele Gedanken... wissen Sie, ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß die Natur sehr spottlustig ist... Sie sagten vorhin, ich sei ein Atheist, aber wissen Sie, die Natur... Warum lachen Sie wieder? Sie sind furchtbar grausam!« sagte er traurig und unwillig, indem er alle ringsum ansah. »Ich habe Kolja nicht verdorben«, schloß er in völlig verändertem, ernstem Ton, im Ton fester Überzeugung, als ob ihm auch dies eben einfiele...
    »Niemand, niemand lacht hier über dich, beruhige dich!« sagte Lisaweta Prokofjewna fast gequält. »Morgen wird ein neuer Arzt zu dir kommen, dein bisheriger hat sich geirrt. Aber so setz dich doch; du kannst ja nicht auf den Beinen stehen! Du redest wirr... Ach, was sollen wir jetzt mit ihm anfangen?« sagte sie, indem sie ihn eifrig veranlassen wollte, sich auf einen Lehnstuhl zu setzen. Eine Träne glitzerte auf ihrer Wange.
    Ippolit blieb überrascht stehen; dann hob er den Arm, streckte ihn furchtsam aus und berührte mit der Hand diese Träne. Auf seinem Gesicht spielte ein eigentümliches, kindliches Lächeln.
    »Ich... habe Sie...«, begann er erfreut, »Sie wissen nicht, wie ich Sie... er hat immer mit solcher Begeisterung von Ihnen gesprochen, er, Kolja... ich liebe seine Begeisterung. Ich habe ihn nicht verdorben! Er ist der einzige Freund, den ich zurücklasse... ich hätte gern alle

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