Der Idiot
ruhen in meinem Herzen... in der Tiefe meines Herzens... wie in einem Grab!« rief Lebedew pathetisch und drückte den Hut gegen sein Herz.
»Schon gut, schon gut!... Also dann war es Ferdyschtschenko? Das heißt, ich meine, Sie haben Ferdyschtschenko im Verdacht?«
»Wen sonst?« sagte Lebedew leise, indem er den Fürsten scharf ansah.
»Nun ja, selbstverständlich ... wen denn sonst... das heißt, was haben Sie für Beweise?«
»Beweise habe ich schon. Erstens das Verschwinden um sieben Uhr oder sogar noch vor sieben Uhr morgens.«
»Ich weiß, Kolja hat mir gesagt, daß er zu ihm gekommen sei und gesagt habe, er gehe weg, um den Rest der Nacht bei... bei... seinem Freund zuzubringen, ich habe den Namen vergessen.«
»Wilkin heißt er. Also Nikolai Ardalionowitsch hat Ihnen das bereits gesagt?«
»Von dem Diebstahl hat er mir nichts gesagt.«
»Davon weiß er auch noch nichts, denn ich habe die Sache bis jetzt geheimgehalten. Also er ist zu Wilkin gegangen; man könnte nun meinen: was ist denn Besonderes dabei, daß ein Trunkenbold zu einem ebensolchen Trunkenbold »Das habe ich ja getan!« versetzte Lebedew mit noch größerer Rührung und seufzte dabei.
»Hm! ... Warum mußten Sie auch den Zivilrock mit der Uniform vertauschen?« rief der Fürst und schlug ärgerlich auf den Tisch.
»Das ist eine Frage aus einem alten Lustspiel. Aber, großmütigster Fürst, Sie nehmen sich mein Unglück zu sehr zu Herzen! Ich bin so viele Teilnahme gar nicht wert. Das heißt, ich allein würde nicht wert sein, daß Sie sich so beunruhigen, aber Sie leiden ja auch um des Verbrechers willen... um dieses unbedeutenden Herrn Ferdyschtschenko willen!«
»Nun ja, ja, Sie haben mich wirklich in Unruhe versetzt«, unterbrach ihn der Fürst zerstreut und mißvergnügt. »Also was beabsichtigen Sie nun zu tun ... wenn Sie so fest davon überzeugt sind, daß es Ferdyschtschenko gewesen ist?«
»Fürst, hochgeehrter Fürst, wer könnte es denn sonst gewesen sein?« wand sich Lebedew mit immer wachsender Rührung. »Das Fehlen eines andern, an den man denken könnte, und sozusagen die absolute Unmöglichkeit, jemand außer Herrn Ferdyschtschenko in Verdacht zu haben, das ist ja sozusagen noch ein Beweis gegen Herrn Ferdyschtschenko, schon der dritte Beweis! Denn ich frage noch einmal: wer könnte es sonst gewesen sein? Ich kann doch nicht Herrn Burdowskij verdächtigen, hehehe!«
»Was für ein Unsinn!«
»Oder schließlich den General, hehehe?«
»Was für dummes Zeug!« rief der Fürst, beinah zornig, und drehte sich ungeduldig auf seinem Platz hin und her.
»Natürlich ist das dummes Zeug! Hehehe! Dieser Mensch, ich wollte sagen der General, hat mich ordentlich zum Lachen gebracht! Ich ging mit ihm vorhin auf frischer Fährte zu Wilkin ... ich muß Ihnen noch bemerken, daß der General noch mehr als ich selbst bestürzt war, als ich nach Entdeckung des Verlustes zuallererst ihn weckte, dermaßen bestürzt, daß er die Farbe wechselte und bald rot, bald blaß wurde und schließlich in eine so empörte, edle Aufregung geriet, wie ich sie in solchem Maße gar nicht von ihm erwartet hatte. Ein höchst edeldenkender Mensch! Er lügt zwar fortwährend aus Schwäche, ist aber von den erhabensten Gefühlen erfüllt, und dabei ist er ein Mann von geringer geistiger Begabung, der durch seine Harmlosigkeit das größte Vertrauen einflößt. Ich habe Ihnen schon gesagt, hochgeehrter Fürst, daß ich nicht nur eine gewisse Schwäche für ihn habe, sondern ihn sogar liebe. Auf einmal blieb er mitten auf der Straße stehen, knöpfte sich den Rock auf und entblößte seine Brust: ›Visitiere mich!‹ sagte er. ›Du hast Keller visitiert, warum visitierst du mich nicht? Das verlangt‹ sagte er, ›die Gerechtigkeit!‹ Dabei zitterten ihm die Arme und Beine, und er war ganz blaß geworden, ganz grimmig sah er aus. Ich fing an zu lachen und sagte: ›Hör mal, General‹, sagte ich, ›wenn mir ein anderer das von dir sagte, dann würde ich mir gleich auf der Stelle mit eigenen Händen den Kopf abnehmen, ihn auf eine große Schüssel legen und ihn selbst auf der Schüssel zu allen Zweiflern hintragen: »Hier«, würde ich sagen, »seht mal diesen Kopf an, also mit meinem eigenen Kopf hier verbürge ich mich für ihn, und nicht nur den Kopf will ich dransetzen, sondern auch dafür ins Feuer gehen!« Siehst du‹, sagte ich, ›so bin ich bereit, mich für dich zu verbürgen!‹ Da umarmte er mich mitten auf der Straße, brach in Tränen
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