Der Idiot
ausdrücken sollen: ›Versöhnen Sie sich mit dem Kaiser Alexander!‹, aber weil ich ein Kind war, sprach ich meinen Gedanken in jener naiven Weise aus. ›O mein Kind‹, antwortete er (er ging im Zimmer auf und ab), ›O mein Kind!‹ (er schien es damals öfter nicht zu beachten, daß ich erst zehn Jahre alt war, und unterhielt sich gern mit mir, ›o mein Kind, ich bin bereit, dem Kaiser Alexander die Füße zu küssen; dagegen werde ich den König von Preußen und den Kaiser von Österreich lebenslänglich hassen. Jedoch... du verstehst schließlich nichts von Politik!‹ Er schien sich plötzlich zu erinnern, mit wem er sprach, und verstummte, aber seine Augen sprühten noch lange Zeit Funken. Wollte ich all diese Tatsachen berichten – und ich war auch bei den allerwichtigsten Ereignissen Zeuge – und den Bericht jetzt herausgeben, dann all diese Kritiken, all diese verletzte literarische Eitelkeit, all dieser Neid, das Parteitreiben und... nein, dafür danke ich!«
»Was Sie von dem Parteitreiben gesagt haben, ist natürlich richtig, und ich kann Ihnen darin nur beistimmen«, antwortete der Fürst leise, nachdem er einen Augenblick geschwiegen hatte. »Ich habe vor kurzer Zeit das Buch von Charras über den Waterloo-Feldzug gelesen. Es ist offenbar ein ernstes Buch, und Fachmänner versichern, daß es mit außerordentlicher Sachkenntnis geschrieben sei. Aber auf jeder Seite schimmert die Freude des Verfassers über Napoleons Demütigung hindurch, und falls es möglich wäre, dem Kaiser auch bei den übrigen Feldzügen jede Spur von Talent abzusprechen, so würde Charras sich darüber wahrscheinlich höchlichst freuen; aber das macht bei einem so ernsten Werk einen schlechten Eindruck, weil es eine parteiische Denkungsart ist. Waren Sie damals durch Ihren Dienst beim Kaiser sehr in Anspruch genommen?
Der General war entzückt. Die Bemerkung des Fürsten hatte durch ihren Ernst und ihre Schlichtheit den letzten Rest seines Mißtrauens zerstreut.
»Charras! Oh, ich war selbst empört! Ich schrieb gleich damals an ihn, aber... ich kann mich jetzt eigentlich nicht mehr recht erinnern... Sie fragen, ob mich der Dienst sehr in Anspruch nahm. O nein! Ich hieß zwar Kammerpage, aber ich faßte das schon damals nicht als ein ernstes Amt auf. Zudem mußte Napoleon sehr bald alle Hoffnung aufgeben, daß es ihm gelingen würde, die Herzen der Russen für sich zu gewinnen, und so hätte er schließlich auch mich vergessen, den er aus politischen Erwägungen an sich herangezogen hatte, wenn... wenn er mich nicht persönlich liebgewonnen hätte; ich spreche das jetzt kühn aus. Mich zog mein Herz zu ihm. Dienst wurde nicht viel von mir verlangt: ich mußte manchmal im Palast erscheinen und... den Kaiser zu Pferd auf seinen Spazierritten begleiten, das war alles. Ich war ein ganz geschickter Reiter. Er pflegte vor Tische auszureiten; zur Suite gehörten gewöhnlich Davout, ich, der Mameluck Roustan...«
»Constant«, entfuhr es auf einmal dem Fürsten.
»N-nein, Constant war damals nicht da, er war damals mit einem Brief weggeschickt... zur Kaiserin Josephine; aber statt seiner waren zwei Ordonnanzen da und einige polnische Ulanen... na, das war das ganze Gefolge, abgesehen natürlich von den Generalen und Marschällen, die Napoleon mitnahm, um mit ihnen das Terrain und die Stellung der Truppen zu besichtigen und mit ihnen zu beraten... Am häufigsten befand sich Davout in seiner Umgebung, wie ich mich noch jetzt erinnere: ein sehr großer, kräftiger, kaltblütiger Mensch mit einer Brille und einem seltsamen Blick. Mit ihm beriet der Kaiser besonders oft. Er legte großen Wert auf seine Ansichten. Ich erinnere mich, daß sie schon mehrere Tage miteinander beraten hatten; Davout kam jeden Morgen und jeden Abend; oft stritten sie sogar; endlich schien Napoleon nachzugeben. Sie waren beide allein im Arbeitszimmer, als dritter ich, den sie kaum beachteten. Auf einmal fiel Napoleons Blick zufällig auf mich, ein seltsamer Gedanke leuchtete in seinen Augen auf. ›K ind!‹ sagte er plötzlich zu mir, ›wie denkst du darüber: wenn ich zur russischen Kirche übertrete und eure Sklaven befreie, werden mir dann die Russen folgen oder nicht?‹ – ›Niemals!‹ rief ich empört. Napoleon war überrascht. ›In den von Patriotismus glänzenden Augen dieses Kindes‹, sagte er, ›habe ich die Meinung des ganzen russischen Volkes gelesen. Genug davon, Davout! Das alles ist ein Hirngespinst! Entwickeln Sie Ihr zweites
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