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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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einen besonderen Eindruck in der Jepantschinschen Familie gemacht haben mußte, obwohl er sich in ihr nur einmal und noch dazu nur flüchtig gezeigt hatte. Vielleicht beruhte dieser Eindruck einfach darauf, daß einige exzentrische Abenteuer des Fürsten die Neugier erregt hatten. Wie dem auch sein mochte, jedenfalls hatte er einen starken Eindruck hinterlassen.
    Nach und nach versanken auch die Gerüchte, die sich zunächst in der Stadt verbreitet hatten, in das Dunkel der Ungewißheit. Man erzählte sich allerdings von einem närrischen jungen Fürsten (den Namen konnte niemand zuverlässig angeben), der auf einmal eine kolossale Erbschaft gemacht und eine zugereiste Französin, eine bekannte Cancantänzerin aus dem château des fleurs in Paris, geheiratet habe. Aber andere sagten, die Erbschaft habe vielmehr ein General gemacht, und derjenige, der die zugereiste Französin und berühmte Cancantänzerin geheiratet habe, sei ein enorm reicher russischer Kaufmann; dieser habe bei seiner Hochzeit aus reiner Prahlsucht in betrunkenem Zustand an einer Kerze siebenhunderttausend Rubel der letzten Prämienanleihe verbrannt. Aber alle diese Gerüchte verstummten sehr bald, wozu die Umstände sehr wesentlich mithalfen. So zum Beispiel hatte sich Rogoshins ganze Rotte, von der doch manche über das Geschehene allerlei hätten erzählen können, in geschlossenem Trupp mit ihm selbst an der Spitze nach Moskau begeben, eine Woche nach der schauderhaften Orgie in dem Vauxhall von Jekaterinhof, bei welcher auch Nastasja Filippowna zugegen gewesen war. Einige wenige, die sich für die Sache gar nicht einmal sonderlich interessierten, hatten gerüchtweise gehört, Nastasja Filippowna sei gleich am nächsten Tage nach jener Orgie in Jekaterinhof geflohen und verschwunden, und man habe endlich herausbekommen, daß sie sich nach Moskau begeben habe; sie fanden daher, daß auch Rogoshins Abreise nach Moskau mit diesem Gerücht im Einklang stehe.
    Auch speziell über Gawrila Ardalionowitsch Iwolgin, der gleichfalls in seinem Kreis eine recht bekannte Persönlichkeit war, begannen allerlei Gerüchte umzugehen. Aber auch mit ihm geschah etwas, wovon alles üble Gerede über ihn sehr bald nachließ und dann ganz aufhörte: er wurde sehr krank und konnte nirgends in der Gesellschaft erscheinen, ja nicht einmal im Dienst. Nachdem er einen Monat lang schwer leidend gewesen war, genas er wieder, gab aber seine Tätigkeit bei der Aktiengesellschaft aus nicht näher bekanntem Grund gänzlich auf, und ein anderer erhielt seine Stelle. Im Hause des Generals Jepantschin ließ er sich gleichfalls kein einziges Mal mehr blicken, so daß auch zum General ein anderer Beamter kommen mußte. Gawrila Ardalionowitschs Feinde hätten annehmen können, er schäme sich so sehr über alles, was mit ihm vorgegangen war, daß er sich nicht auf der Straße zeigen mochte, aber er kränkelte tatsächlich immer noch: er verfiel sogar in Hypochondrie und wurde melancholisch und nervös. Warwara Ardalionowna vermählte sich im selben Winter mit Ptizyn; alle Bekannten der beiden führten diese Eheschließung geradeswegs auf den Umstand zurück, daß Ganja nicht zu seiner Tätigkeit zurückkehren mochte und nicht nur aufgehört hatte, die Familie zu unterhalten, sondern sogar selbst der Hilfe, ja beinah der Pflege bedurfte.
    Wir müssen in Klammern hinzufügen, daß auch von Gawrila Ardalionowitsch im Jepantschinschen Hause nie mehr gesprochen wurde, als ob ein solcher Mensch nie im Hause verkehrt hätte, ja überhaupt nie auf der Welt gewesen wäre. Dabei hatten aber alle über ihn (und zwar sogar sehr bald) etwas sehr Merkwürdiges erfahren, nämlich folgendes: in eben jener für ihn so verhängnisvollen Nacht habe Ganja, als er nach dem unangenehmen Vorfall bei Nastasja Filippowna heimgekehrt war, sich nicht schlafen gelegt, sondern mit fieberhafter Ungeduld auf die Rückkehr des Fürsten gewartet. Der Fürst, der nach Jekaterinhof gefahren war, sei von dort um sechs Uhr morgens zurückgekehrt. Da sei Ganja zu ihm ins Zimmer gegangen und habe das angebrannte Geldpäckchen, das ihm Nastasja Filippowna während seiner Ohnmacht geschenkt hatte, vor ihm auf den Tisch gelegt. Er habe den Fürsten dringend gebeten, sobald sich eine Möglichkeit dazu biete, dieses Geschenk Nastasja Filippowna zurückzugeben. Als Ganja zum Fürsten hereingekommen sei, habe er sich in einer feindlichen und beinah verzweifelten Stimmung befunden, aber nachdem dann zwischen ihm und dem Fürsten

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