Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
Stockwerke erklettern oder von einem Hubschrauber abspringen, um die Hinrichtungen auf dem Dach zu verhindern, wenn die Henker nur allzu bereit waren, als Märtyrer zu sterben? Und eine Seeblockade mit einem Bataillon Marinesoldaten, die sich auf eine Invasion vorbereiteten? Was wäre sie außer einer Demonstration überlegener Macht? Und was für einen Sinn hätte eine solche Aktion? Der Sultan und seine Minister waren die letzten, die sich Gewaltakte wie den in der Botschaft wünschten. Die friedlich gesinnte Polizei bemühte sich, die Hysterie zu beschwichtigen, doch sie war den umherziehenden wilden Agitatorenbanden nicht gewachsen. Jahre der Ruhe in der Hauptstadt hatten auf ein solches Chaos nicht vorbereitet; und die Truppen von der jemenitischen Grenze zurückzurufen, konnte unvorstellbare Probleme nach sich ziehen. Die Einheiten, die jene Eiterbeule, die Zuflucht internationaler Killer bewachten, waren genauso wild und gewalttätig wie ihre Feinde. Abgesehen davon, daß es nach ihrer Rückkehr in die Hauptstadt an der Grenze zu einem unbeschreiblichen Gemetzel käme, würde auch in den Straßen von Maskat Blut fließen, und die Gossen wären voll mit den Leichen Schuldiger und Unschuldiger.
Schachmatt.
Lösungsmöglichkeiten: Konnten die Forderungen der Revolutionäre erfüllt werden? Nein. Die Verantwortlichen verstanden das auch sehr gut, nicht jedoch ihre Marionetten, die Halbwüchsigen, die glaubten, was sie sangen, was sie schrien. Keine Regierung in Europa und im Nahen Osten würde über achttausend Terroristen aus Organisationen wie den Roten Brigaden, der PLO, der Baader-Meinhof-Bande, der IRA und ihre so gefährlichen Sympathisanten freilassen. Sollte man die täglichen Titelgeschichten, die neugierigen Kameras und die Flut von Druckerzeugnissen weiterhin tolerieren, durch die die publicityhungrigen Fanatiker sich ständig in das Bewußtsein der Welt drängten?
Warum nicht? Zweifellos retteten die nie versiegenden Enthüllungen
so mancher Geisel das Leben, da die Hinrichtungen ›vorübergehend eingestellt‹ worden waren, damit die >Unterdrückernationen< ihre Entschlüsse überdenken konnten. Wollte man aufhören, über sie zu schreiben, würde das die so leidenschaftlich nach Märtyrertum Strebenden nur provozieren. Sollte es still um sie werden, mußte diese Stille durch einen Schock gebrochen werden. Schock machte Schlagzeilen, und Mord war der furchtbarste von allen.
Wer?
Was?
Wie?
Wer? Das war die wesentlichste Frage. Fand man die Antwort darauf, würde das zu einer Lösung führen – zu einer Lösung, die innerhalb von fünf Tagen gefunden werden mußte. Die Hinrichtungen waren für eine Woche aufgeschoben worden. Inzwischen waren zwei Tage vergangen, und in London hatten sich die fähigsten Köpfe der Geheimdienste von sechs Nationen versammelt. Alle waren mit Überschallmaschinen eingeflogen, nachdem man sich zu gemeinsamem Handeln entschlossen hatte, denn sie alle wußten, daß ihre Botschaft das nächste Ziel der fanatisierten Jugendlichen sein konnte. Irgendwo in der Welt. Sie hatten achtundvierzig Stunden ununterbrochen getagt, ohne eine Minute Schlaf. Ergebnis: Oman blieb ein Rätsel. Man hatte es bisher als den unerschütterlichen Felsen der Stabilität in Vorderasien angesehen, ein Sultanat mit einer gebildeten, aufgeklärten Führung, die einer repräsentativen Regierung so nahe kam, wie man das von einer auserwählten Familie des Islams erwarten konnte. Die Herrscher stammten aus einem privilegierten Haus, in dem ganz offenbar respektiert wurde, was Allah gegeben hatte – nicht nur als Geburtsrecht, sondern – zumindest in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts – auch als Verantwortung.
Schlüsse: Der Aufstand war im Ausland geplant und vorbereitet worden. Höchstens zwanzig der etwa zweihundert verwahrlosten, kreischenden Jugendlichen waren als Omaner identifiziert worden. Daher machten sich Geheimdienstleute mit Zugang zu jeder Extremistengruppe in der Region sofort an die Arbeit, stellten Kontakte her, bestachen, drohten.
»Wer sind sie, Asis? Nur eine Handvoll von denen kommt aus Oman, und die meisten von ihnen sind geistig unterbelichtet.
Los, Asis, mach schon! Leb wie ein Sultan. Nenn mir ruhig einen unverschämten Preis. Nimm mich beim Wort!«
»Ich zähle bis drei, Machmed! Drei Sekunden, und deine rechte Hand liegt vor dir ohne Handgelenk. Dann ist deine linke dran. Der Countdown läuft, du Gauner! Her mit der Information!« Drei, zwei, eins...
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