Der im Dunkeln wacht - Roman
Gerichtsmedizin«, entschied Irene.
Irene und Fredrik Stridh nahmen den neuen Kriminaltechniker Matti Berggren im Auto mit, als sie zur Gerichtsmedizin fuhren. Matti erzählte, er habe beim Staatlichen Kriminaltechnischen Labor in Linköping gearbeitet. Irene schätzte ihn auf fünfundzwanzig, aber wahrscheinlich war er ein paar Jahre älter, als er aussah. Ihr Kollege Fredrik Stridh war etwa so alt gewesen, als er beim Dezernat angefangen hatte. Vor zehn Jahren. Seither war
ein sehr guter Ermittler aus ihm geworden. Schade, dass die Abteilung für Bandenkriminalität auf ihn aufmerksam geworden war.
»Warum seufzst du?«, fragte Fredrik.
»Habe ich geseufzt? Vermutlich, weil ich gerade darüber nachgedacht habe, wie gemütlich es wäre, jetzt mit einem guten Glas Wein und Knabberspaß zu Hause einen Film anzuschauen. Dann früh ins Bett. Etwas in dieser Art. Schließlich ist das mein freies Wochenende«, sagte Irene.
»In einem anderen Leben, Irene«, erwiderte Fredrik todernst. Die Jammerei war eher eine Vorführung für den Grünschnabel Matti. Doch es schien ihm nicht sonderlich zu imponieren. Er sah neugierig aus dem Fenster, als sie am Scandinavium vorbeifuhren. Die Abendveranstaltung war zu Ende, und das Publikum, Tausende von Menschen, strömte aus dem Gebäude.
Sie hatten Glück. Zum einen war es recht ruhig in der Gerichtsmedizin, zum anderen hatte Morten Jensen Bereitschaft. Irene und Fredrik kannten ihn gut, da er schon seit mehreren Jahren dort arbeitete.
Und Jensen schien froh zu sein, Gesellschaft zu bekommen. Oder wie er es ausdrückte: »An einem Samstagabend kann es hier schon mal ziemlich tot sein.«
Matti Berggren zog die Augenbrauen hoch und lächelte dann höflich. Wahrscheinlich wusste er nicht, ob der Gerichtsmediziner Witze machte oder ob es ihm ernst war. Irene fand es immer befreiend, mit Morten Jensen zu tun zu haben. Er war viel unkomplizierter als seine Chefin, Prof. Yvonne Stridner, was allerdings kein großes Kunststück war, wie Irene fand. Eine große Mehrheit der Göteborger Polizeibeamten hätte ihr zugestimmt. Aber das Risiko, Yvonne Stridner an diesem Abend zu begegnen, war minimal. Professoren hatten nachts keine Dienstbereitschaft und am Wochenende schon gar nicht.
Matti nahm eine Probe von der Außenseite der Plastikfolie. Ein dunkelbrauner Fleck, groß wie eine Handfläche, interessierte ihn besonders. Er fiel ihnen auf, als sie die eingepackte Leiche umdrehten. An einigen anderen Stellen waren ähnliche, allerdings kleinere Flecken zu erkennen.
»Irgendein dünnes Öl … wahrscheinlich Motorenöl«, murmelte er vor sich hin.
Er wirkte zufrieden, als er das Wattestäbchen mit dem Öl in ein steriles Reagenzglas fallen ließ. Anschließend entfernte er vorsichtig sämtliche Klebestreifen von der Folie und legte sie sorgfältig in verschiedene kleine Glasgefäße.
»Klebebänder können Unmengen von Informationen liefern. Dort bleiben Dinge hängen, die sich der Täter gar nicht vorstellen kann«, sagte er.
Er machte einen gründlichen und ernsthaften Eindruck. Es hieß, dass Svante Malm im nächsten Jahr in Pension gehen werde. Dieser junge Mann schien ein würdiger Nachfolger zu sein.
Behutsam wickelte Matti die Folie ab, die die Leiche umgab.
»Ziemlich viel Wasser auf der Innenseite«, stellte er fest.
Als die Leiche vollkommen freigelegt war, sahen sie, dass es sich um eine Frau mittleren Alters handelte. Der ganze Körper war feucht. Die Feuchtigkeit hatte sich auf der Innenseite der Folie gesammelt und war nicht verdunstet, da der Täter die Folie luftdicht verklebt hatte. Das schulterlange Haar lag feucht am Kopf an, es war zu vermuten, dass es blondiert war. Die Tote war relativ klein und mollig.
»Erdrosselt«, sagte Morten Jensen.
Aus seiner Stimme war jetzt jegliche scherzhafte Nuance verschwunden. Er deutete auf ein scheußlich dunkellila verfärbtes Würgemal, das um den Hals des Opfers verlief. Der Täter hatte so fest zugezogen, dass nur noch die langen Enden der Schlinge im Nacken der Toten zu sehen waren. Irene wusste, um was für eine Schnur es sich handelte. Genau so eine blaue Nylonleine
hing in ihrer Waschküche als Wäscheleine. Die Enden hatte der Mörder zu großen Schlingen geknotet, um nicht abzurutschen.
Jensen griff zu einem Maßband und stellte fest, dass die Tote 155 cm groß war. Dann ermittelte er die Körpertemperatur, betrachtete die Totenflecken und schaute sich an, wie weit die Leichenstarre fortgeschritten war.
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