Der im Dunkeln wacht - Roman
Die Ergebnisse gab er zusammen mit der Außentemperatur der letzten vierundzwanzig Stunden in den Computer ein und rechnete dann rasch im Kopf. Anschließend teilte er mit, die Ermordete sei seit maximal achtundvierzig Stunden tot. Wahrscheinlich sei sie später gestorben, aber wohl kaum mehr als fünf Stunden später.
»Sie wurde also vor dreiundvierzig bis achtundvierzig Stunden ermordet, das heißt zwischen 16 und 21 Uhr am Donnerstag. Das ist ein ziemlich langer Zeitraum«, meinte Irene, nachdem sie einen Blick auf die Uhr an der Wand geworfen hatte.
»Ja. Genauer lässt es sich aber nicht sagen. Es gibt noch zu viele unsichere Faktoren. Die Leichenflecken deuten daraufhin, dass sie vier bis zwölf Stunden nach Eintritt des Todes verlagert wurde. Sie wurde vom Bauch auf den Rücken gedreht. Auf der Vorderseite der Leiche sind schwache Totenflecken zu sehen. Morgen werde ich die Leiche genauer in Augenschein nehmen und Proben entnehmen. Bis zur Obduktion werden noch ein paar Tage vergehen«, meinte Jensen bedauernd.
Irene wusste, dass daran nichts zu ändern war. Sie hatten trotzdem einige wichtige Informationen erhalten. Zunächst hatte jetzt die Feststellung der Identität höchste Priorität. Noch in der Nacht würde Fredrik die Liste der vermissten Personen durchgehen. Am Sonntag würden sie dann gemeinsam weitersuchen. Es war wichtig, zu Anfang einer Ermittlung, das Tempo nicht zu verlieren.
Fredrik machte sie schnell ausfindig: Ingela Svensson, 46 Jahre alt, geschieden, alleinstehend. Das Blumengeschäft am Frölunda
Torg hatte Alarm geschlagen, als sie am Freitagmorgen nicht zur Arbeit erschienen war. Ingela Svensson war eine gute Floristin, und für eine Beerdigung am Samstag warteten bereits eine Menge Bestellungen auf sie. Am Telefon war die Besitzerin des Blumenladens außer sich vor Sorge gewesen. Ingela sei eine äußerst zuverlässige Person, die sich nur im äußersten Notfall krank schreiben lasse und nicht ohne ein Wort zu sagen verschwinden würde.
Ingela Svenssons Schwester in Kungälv hatte man bereits am Nachmittag verständigt, als es sich noch um eine Vermisstensache gehandelt hatte. Von ihr dieselbe Aussage: Ihre Schwester würde nie grundlos verschwinden. Außerdem habe sie erst kürzlich einen Mann aus Borås kennengelernt, der sie förmlich habe aufblühen lassen. Die Schwester hatte sich darüber gefreut, denn Ingelas Ehe war nicht sonderlich glücklich gewesen.
Exmänner und neue Männer waren bei Vermisstenangelegenheiten und Morduntersuchungen immer von Interesse. Eine rasche Überprüfung von Ingelas Exmann hatte ergeben, dass dieser seit zwei Jahren wieder verheiratet war. Man konnte ihn außerdem sofort von der Liste der Verdächtigen streichen. Die Familie wohnte in Marbella. Dort verkaufte er Immobilien an sonnenhungrige Skandinavier.
Schweren Herzens rief Irene am frühen Sonntagmorgen die Schwester in Kungälv an. Sie brach am Telefon zusammen, als sie erfuhr, dass es sich bei der Person, die man am Vorabend ermordet auf dem Westfriedhof aufgefunden hatte, höchstwahrscheinlich um Ingela handelte.
Einige Stunden später fuhr ihr Mann sie nach Göteborg. Sie identifizierte die Tote zweifelsfrei als Ingela Svensson. Irene bat die Schwester und den Schwager, sie zu einem ersten Gespräch ins Präsidium zu begleiten.
Die Schwester hieß Christina Mogren. Sie nannte ihnen auch den Namen des Mannes in Borås. Leif Karlberg. Die Eheleute Mogren hatten ihn erst am Wochenende zuvor kennengelernt. Ingela lud sie nach Hause ein, damit sie den neuen Mann in ihrem Leben endlich einmal trafen. Er machte einen sehr guten Eindruck auf Christina und ihren Mann. Sie erzählten, dass Leif Karlberg und Ingela sich vor drei Monaten bei einem Wochenendtrip nach Prag kennengelernt und umgehend ineinander verliebt hätten. Und Ingela habe gewagt, die Liaison auch nach der Rückkehr fortzusetzen, obwohl sie sich geschworen hatte, nie mehr eine feste Beziehung einzugehen. Sie war dann einige Male bei Karlberg in Borås zu Besuch, und er bei ihr in Göteborg. Laut der Schwester verlief die Beziehung erfreulich. Ingrid sei zum ersten Mal seit ihrer Scheidung wieder richtig verliebt gewesen.
»Er kann es nicht gewesen sein. Ingela und er waren so verliebt. Sie hatten nur Augen füreinander. Er wirkte so … so lieb! «, sagte Christina.
Irene waren im Laufe der Jahre etliche Mörder untergekommen, die mit ähnlichen Worten beschrieben worden waren. Sie behielt es für sich und ließ
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