Der indigoblaue Schleier
ihn.
»Apropos: Hat irgendjemand zwischenzeitlich diesem Schuft das Handwerk gelegt?«
»Im Gegenteil: Carlos Alberto ist jetzt der Intimus des Inquisitors. Aber das erzählen wir dir später. Zuerst wollen wir von deinem Plan hören.«
»Also«, setzte Miguel an und nahm einen Schluck von der Limonade, die ein Diener inzwischen vorbeigebracht hatte. Dann setzte er ihnen im Detail auseinander, was er ausgeheckt hatte: Einer der beiden Brüder sollte auf einem der Frachtschiffe mitfahren, auf denen die Gewürze der Firma Ribeiro Cruz & Filho transportiert wurden. Álvaro eignete sich Miguels Meinung nach dafür am besten, weil er weniger gehemmt war als sein Bruder, was Miguel so deutlich natürlich nicht aussprach. Álvaro müsse unter Umständen schon sehr kurzfristig abreisen, da die Frachtschiffe länger unterwegs waren als die moderneren Passagierschiffe und er ja keineswegs die Hochzeit seiner Mutter verpassen wollte. Auf dem Frachter müsse er ein Auge auf die Ladung haben und genauestens darauf achten, wie viel wo geladen und gelöscht wurde. Bei einem unbeteiligten Passagier würde niemand etwas dabei finden, wenn er sich vom Deck aus ansah, was die Matrosen so trieben. Bei Miguel dagegen wäre es aufgefallen, wenn er jeden Sack Pfeffer mitgezählt hätte, der von oder an Bord gehievt wurde. Der oder die Übeltäter würden gar nicht auf Álvaro achten, so lautete Miguels Theorie, so dass dieser unbehelligt das Geschehen an Bord würde beobachten können.
Für Sidónio hatte Miguel eine andere Aufgabe. Der ältere Bruder sollte, wenn er denn dazu Lust und Zeit hätte, versuchen, sich als Zwischenhändler für Miguel zu betätigen. Er sollte die Gegenstände, die Miguel unterwegs erstanden hatte, in Lissabon zum Verkauf anbieten – sozusagen als Test für weitere Unternehmungen. »Du bekommst natürlich eine Provision auf den Gewinn, den du erzielst«, sagte Miguel nun, und Sidónio schien von der Idee sehr angetan zu sein.
»Und was ist mit mir? Was, wenn ich euren Dieb erwische – kriege ich dann auch eine Belohnung?«, fragte Álvaro.
»Selbstverständlich bekommst du die, du Gierschlund«, beantwortete Delfina die Frage. »Aber sag, Miguel, welche Mission hast du mir zugedacht? Ich kann es schließlich leicht mit zweien von denen da«, damit wies sie auf ihre Brüder, »aufnehmen. Ach, was sage ich, mit vieren!«
»Das mag wohl stimmen. Aber auf einem Frachtschiff wirst du als Frau nicht ohne Begleitung mitfahren können. Und wenn du meine Handelsware daheim zum Verkauf anbietest, bist du als Frau ebenfalls benachteiligt, weil die Kaufleute nun einmal lieber mit Männern verhandeln. Allerdings hätte ich da ein Anliegen, das ich aber lieber mit dir unter vier Augen besprechen möchte.«
Delfinas Blick begann zu leuchten. Ihre Brüder dagegen sahen Miguel an, als seien sie mit den abgenagten Knochen abgespeist worden.
»Herrje, nun guckt doch nicht so – es muss doch möglich sein, dass ein junger Mann einmal mit einer hübschen Dame ein vertrauliches Gespräch führt«, rief Miguel. Daraufhin begann Delfina zu kichern, während Sidónio rot wurde und Álvaro schon zu einer seiner schamlosen Erklärungen ansetzte.
»Still!«, herrschte Delfina ihn an, bevor er eine Silbe gesagt hatte. Zu Miguel gewandt sagte sie: »Lass uns in den Garten gehen, da können wir in Ruhe reden.«
Sie nahm Miguel am Ellbogen und führte ihn durch die große Flügeltür nach draußen auf die Veranda. Die beiden Brüder zwinkerten einander zu.
»Nun?«, raunte Delfina aufgeregt.
»Das sollte ja wohl eher ich fragen.« Miguel schaute Delfina durchdringend an. »Ich war der Meinung,
du
wolltest
mir
ein Geheimnis offenbaren oder ein Geständnis ablegen. Was ist nun mit dir und deinem indischen Verehrer?«
»Oh«, sagte Delfina und ließ die Schultern hängen. So war das also. Miguel hatte nur eine amouröse Verwicklung angedeutet, um sie ausfragen zu können. Und sie hatte gehofft … Nun denn. Sie musste sich zusammenreißen. Nie im Leben würde sie, Delfina Filipa Maria da Graça Mendonça, sich einem Mann wie Miguel an den Hals werfen. Wenn er nicht von alleine begriff, wie es um sie bestellt war und dass sie tief in ihrem Innern ganz anders für ihn empfand, als sie nach außen vorgab, dann war er es auch nicht wert. Warum nur ließen sich die Männer immer so schnell blenden von einem koketten Augenaufschlag oder einem Schmollmündchen? Es war ja nicht so, als hätte sie nicht auch ihre femininen Reize
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