Der indigoblaue Schleier
Irgendwann, Uma erschien es wie eine Ewigkeit, kam der Späher zurück. Nach dem Ton seiner Stimme und der Aufregung unter seinen Kumpanen zu urteilen, hatte er den Prinzen nicht auffinden können.
Wenig später hatte man die Jagdgesellschaft, die schon ein gutes Stück vorangekommen war, über das Ungemach informiert, und sie machte kehrt. Es entstand ein Tumult. Die Männer rasselten mit den Säbeln und überboten sich gegenseitig in martialischem Getöse, bis der Maharadscha ein Machtwort sprach. Er bestimmte seine fünf besten Männer und sandte sie aus, um die Suche voranzutreiben. Uma indes hockte verzweifelt auf ihrem Ast und wagte es nicht, einen Mucks von sich zu geben. Sie hatte Durst, es juckte sie überall, und sie fürchtete sich vor den Tieren, die sich an ihr gütlich tun würden, wenn sie weiter reglos hier saß. Sie kannte die nähere Umgebung wahrscheinlich besser als irgendein anderer Mensch auf der Welt, doch ihre Unterstützung mochte sie nicht anbieten.
Bei ihrem Anblick hätten sich dem Fürsten und seinem Gefolge die Nackenhaare gesträubt, und gewiss hätte man sie bezichtigt, am Verschwinden des Prinzen die Schuld zu tragen. So viel hatte Uma in den Jahren der Landstreicherei gelernt: Wenn hundert Männer und eine Frau als Täter in Frage kamen, dann wurde unausweichlich die Frau zur Schuldigen erklärt. Und deshalb blieb Uma auf ihrem Ast sitzen, mit eingeschlafenen Gliedern und ausgetrocknetem Gaumen.
Dabei hatte sie eine ziemlich genaue Ahnung, wo der Prinz sich aufhalten könnte und wie er dorthin gelangt war.
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27
M iguel ritt frohen Mutes zu den Mendonças. Es war ein herrlicher Tag, und er fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Erst jetzt wusste er zu würdigen, wie viel ein bequemes Bett, ein opulentes Frühstück und all die Annehmlichkeiten, die seine dienstbaren Geister ihm boten, zu bedeuten hatten. Man musste wohl erst einmal wochenlang dieselbe stinkende Kleidung getragen haben, um zu wissen, dass ein Bad und frische Wäsche eine durchaus belebende Wirkung auf den Kopf und das Gemüt hatten.
Sein treuer Panjo saß ruhig in dem Sattelkorb und sah nach vorn, ganz so, als habe er die Führung übernommen und trage die Verantwortung für Pferd und Reiter. In den Satteltaschen transportierte Miguel einen Teil der Dinge, die er am frühen Morgen aus der Truhe geholt hatte. Sie stellten einen erheblichen Wert dar, doch hier, auf der Landstraße entlang des Mandovi-Flusses, trieb sich kein diebisches Gesindel herum, und Miguel hatte keine Sekunde das Gefühl, sich in Gefahr zu befinden.
Auch diesen Instinkt hatte seine Reise geschärft. Nun gut, es war beschämend, dass er nach so kurzer Zeit wieder hatte zurückkehren müssen – dennoch waren die wenigen Wochen lehrreicher gewesen als das jahrelange Studium von Reiseberichten. Er hatte viel gelernt, über Indien wie über sich selber. Und ein Etappenziel hatte er ja immerhin erreicht: Es war ihm trotz aller Widrigkeiten gelungen, sich dank eigener Kraft durchzuschlagen und sogar eine kleine Menge an Gütern mitzubringen, die seinen Handel begründen sollten. Ha!, dachte er selbstironisch, der Grundstock seines künftigen Imperiums passte in zwei Satteltaschen. Eines Tages würde er das seinen Enkeln erzählen.
Der Ritt verlief wie erwartet ohne Zwischenfälle, sah man einmal davon ab, dass er beinahe mit einem rabiaten Kutscher zusammengestoßen wäre. Soweit Miguel dies erkennen konnte, saß in dem Wagen ein kirchlicher Würdenträger. Dass er so in Eile war, passte nicht recht zu dem Gebaren, das die Priester und Mönche sonst an den Tag legten. Aber was, fragte Miguel sich, hatten eigentlich bedächtiges Reden und langsame Bewegungen mit dem Glauben zu tun? Ach, es konnte ihm ja egal sein. Anstatt sich Gedanken über die Benimmregeln beim Klerus zu machen, sollte er sich lieber auf sein Vorhaben konzentrieren. Würde Álvaro mitmachen? War er vertrauenswürdig genug, dass man ihn mit einer so wichtigen Mission betrauen konnte?
Als Miguel bei den Mendonças eintraf, war Dona Assunção gerade im Begriff, in die Stadt zu fahren. Sie hatte bereits in der Kutsche gesessen, stieg jedoch wieder aus, als sie sah, wer sie da unangekündigt besuchte.
»Senhor Miguel, so bald hatten wir Euch nicht zurückerwartet!« Sie betrachtete ihn von Kopf bis Fuß, dann legte sich ihr Ausdruck von Besorgnis, und sie zeigte eine erleichterte Miene. »Wie dünn Ihr seid. Aber dem Himmel sei Dank, Ihr scheint wohlauf zu sein. Wir
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