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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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trottete herbei. Er setzte sich zu Dona Ambas Füßen und schaute sie mit traurigem Blick an.
    »Es tut ihm leid«, übersetzte Miguel, woraufhin Dona Amba, zum ersten Mal, seit er sie kannte, in helles, herzliches Lachen ausbrach.
    Es war ein wundervoller Klang, melodisch und warm. Miguel hätte zu gern das Gesicht gesehen, das zu dem Lachen gehörte. Sicher sah sie umwerfend aus, wenn ihre Nase sich kräuselte, sich um ihre Augen kleine Fältchen bildeten, ihr schöner Mund weit geöffnet war und sie ihre makellosen Zähne entblößte. Wie gern hätte er jetzt ihren Schleier gelüftet und in die abgründigen Augen geschaut, die ihn schon bei dem einen kurzen Blick so in ihren Bann gezogen hatten!
    »Kommt mit«, sagte Dona Amba nun zu ihm. »Wo genau glaubt Ihr denn Euren kostbaren Schlüssel verloren zu haben? Auf der Veranda?«
    »Ja. Dort hielten wir uns ja beim letzten Mal auf, und ich meine mich zu erinnern, dass ich wegen der großen Hitze ein Taschentuch aus meiner Tasche gezogen habe. Dabei muss der Schlüssel hinausgefallen sein, anders kann ich es mir nicht erklären.«
    »Ich möchte Euch nicht unterstellen, dass Ihr mit Absicht beleidigend seid, Senhor Miguel. Aber Ihr gebt mir zu verstehen, nach Wochen könne das gute Stück dort immer noch herumliegen. Ich darf Euch versichern, dass meine Veranda mehrmals täglich gefegt wird.«
    »Um Gottes willen, Ihr missversteht mich vollkommen. Verzeiht meine ungenaue Ausdrucksweise. Wenn er auf das Mosaik der Veranda gefallen wäre, hätten wir ja bestimmt ein Klirren gehört. Nein, ich könnte mir vorstellen, dass der Schlüssel – weil ich ja an der Brüstung stand, wenn Ihr Euch erinnern wollt – in den Garten gefallen ist.«
    »Auch der wird regelmäßig gefegt und mit dem Rechen durchkämmt.«
    »Dürfte ich trotzdem nachsehen?«
    »Bitte.« Amba beschrieb mit dem Arm einen großen Bogen, als wolle sie sagen: Der Garten ist Euer. Miguel meinte in ihrer Stimme einen belustigten Unterton ausmachen zu können. Ihre nächste Äußerung bestätigte seine Vermutung.
    »Euer Hund wird seinen Spaß haben, wenn sein Herr mit ihm gemeinsam durchs Unterholz jagt.«
    Miguel war sehr unwohl bei der ganzen Sache. Natürlich hatte er nie vorgehabt, auf allen vieren vor Dona Ambas Augen durch den Garten zu krabbeln. Aber sie besaß ja nicht einmal die Höflichkeit, einen Dienstboten zu rufen und mit dieser Aufgabe zu betrauen.
    »Wie bedauerlich, dass Ihr nicht über mehr Diener verfügt«, bemerkte Miguel stirnrunzelnd. »Nun, dann werde ich es wohl auf mich nehmen müssen. Ihr erlaubt?« Damit stieg er die Stufen zum Garten hinab und zu dem kleinen Beet unterhalb der Veranda.
    »Wartet! Ich rufe den
mali.
« Als sie das triumphierende Lächeln Miguels sah, fügte sie hinzu: »Glaubt nicht, mir täte es um Eure Knie, Eure Hose oder auch nur Eure Würde leid. Es ist einzig wegen meiner alten
ayah.
Wenn sie sieht, dass ich einen Besucher auf diese Weise behandle, wird sie ewige Verdammnis auf mich herabbeschwören. Also bleibt hier und nehmt Platz.«
    »Eure
ayah
scheint mir eine sehr verständige Person zu sein …«, konnte Miguel sich nicht verkneifen, hinterherzuschicken.
    Amba wies Dakshesh an, die der Veranda nächstliegenden Bereiche des Gartens gründlich nach dem verlorenen Schlüssel abzusuchen. Dann rief sie Jyoti und bat sie, einen Masala-Chai sowie ein wenig Gebäck zu servieren.
    »Habt Ihr«, begann Amba eine Frage zu formulieren, als Miguel genau gleichzeitig fragte: »Seid Ihr …?«
    Miguel grinste. »Ihr zuerst, teure Dona Amba.«
    »Habt Ihr auf die Schnelle noch ein, ähm, preiswertes Geschenk für Eure Verlobte ergattern können?«
    Amba ärgerte sich selber über ihren Mangel an Freundlichkeit. Dieser Mann reizte sie zu immer neuen Spötteleien und Unhöflichkeiten. Dabei hatte sie sich doch vorgenommen, ihn ausnahmsweise einmal zuvorkommend zu behandeln. Schließlich wollte sie ihn um einen Gefallen bitten.
    Miguel verstand ihre Frage im ersten Augenblick nicht, bis ihm einfiel, dass er ja bei seinem letzten Besuch zu dieser kleinen Notlüge gegriffen hatte. Die Verlobte … Noch vor ein paar Wochen war sie ein reines Phantasiegeschöpf gewesen – und nun segelte ihm tatsächlich eine entgegen, obwohl natürlich nur die arme Isabel de Matos an diese Verlobung glaubte. »Ja«, antwortete er nach einer kleinen Pause, »ich habe ihr ein sehr elegantes Stück gekauft, das insofern preiswert war, als es seinen Preis wert war. Allerdings hat sich

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