Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
und links neben Dona Assunção nur Delfina und Sidónio. Alle drei gaben sich große Mühe, sich ihr Reisefieber und die Wehmut, ihre Heimat verlassen zu müssen, nicht anmerken zu lassen. Dass sie Angst vor der Überfahrt hatten, gab nur Sidónio unumwunden zu: »Man hört wirklich Schlimmes über das Kap der Guten Hoffnung. Ich bete, dass wir …«
    »Eure Galeone sucht auf allen Weltmeeren ihresgleichen. Es ist das sicherste und robusteste Schiff, das es gibt«, tröstete Miguel seinen Freund.
    »Ja, aber …«, wandte Sidónio ein.
    »Hör doch endlich auf damit!«, fuhr Delfina ihren Bruder an. »Versuch doch wenigstens einmal, der Sache etwas Gutes abzugewinnen. Wir machen eine spannende Reise. Wir werden endlich das Mutterland kennenlernen. Wir haben eine Aufgabe, die uns vielleicht eigenes Geld einbringt. Wir begegnen interessanten Menschen, unterwegs wie auch in Portugal. Vielleicht triffst du die Frau deiner Träume. Und wir geben unsere Mutter in die Hände eines Mannes, den zumindest ich mich freue, kennenzulernen. Also sei still und belästige uns nicht länger mit deiner Miesepetrigkeit.«
    Miguel, Sidónio und Dona Assunção starrten Delfina verwundert an. So kannten sie sie gar nicht. Vermutlich, dachte Miguel, war sie nervöser, als sie zugab, und ihre Anspannung äußerte sich in diesem Sermon. Oder verhielt es sich vielmehr so, dass sie enttäuscht war, weil ihr heimlicher Verehrer nicht gekommen war, um sie zu verabschieden? Sie blickte andauernd über ihre Schulter, als erwarte sie jemanden.
    Dann gab ein Offizier das Signal, dass die Passagiere nun an Bord kommen sollten. Miguel drückte den Menschen, die ihm in Goa eine Familie ersetzt hatten, die Hand, als handle es sich um Fremde. Abschiede waren ihm ein Graus. Auch die anderen wirkten sehr verlegen. Nur Dona Assunção war Herrin der Lage. Sie trat auf Miguel zu. »Mein lieber Freund, lasst Euch umarmen! Das habe ich mir schon die ganze Zeit gewünscht.« Die drei jungen Leute lachten – und die betretene Stimmung war verflogen. Nach einigem Geherze gingen die Mendonças schließlich an Bord. Miguel begleitete sie nicht zu ihren Kabinen, das hätte ihm das Ganze unnötig erschwert.
    Es dauerte noch eine ganze Weile, bevor alle Passagiere und die Fracht an Bord waren. Miguel konnte sich nicht entschließen, den Pier zu verlassen, so dass er sich inmitten einer Menge von Schaulustigen und Angehörigen fand, die das Ablegemanöver beobachten und den Reisenden zuwinken wollten. Schließlich wurden die Gangway eingeholt und die Leinen losgemacht. Das Schiff setzte Segel.
    Delfina stand an der Reling und ließ ihren Tränen endlich freien Lauf.
     
    Als Miguel daheim im Solar das Mangueiras eintraf, war er bedrückt. Es würde einsam werden ohne die Mendonças. Nur Panjo lenkte ihn ein wenig von seiner Melancholie ab. Der Hund bettelte darum, auf Miguels Schoß springen zu dürfen, was dieser ihm ausnahmsweise erlaubte. Dort benahm Panjo sich so, als sei er nur halb so groß, wie er war – was Miguel zum Lachen reizte. Er kraulte das Tier und redete in einer Art Kindersprache mit ihm. Er war sicher, dass Panjo seine zärtlichen Worte verstand. Dann entdeckte der Hund einen Zipfel Papier, der aus einer Tasche in Miguels Wams lugte, und knabberte daran herum. Miguel wunderte sich. Er konnte sich nicht erinnern, irgendwelche Schriftstücke oder Briefe eingesteckt zu haben. Neugierig nahm er den Bogen heraus und faltete ihn auseinander.
    Mein geliebter Miguel,
    eine schwere Zeit liegt vor mir, jetzt, da wir Goa verlassen und ich Dich mindestens ein Jahr lang nicht sehen kann. Vielleicht hast Du es längst geahnt: Ich liebe Dich. Ich habe Dich von dem Augenblick an geliebt, als ich Dich zum ersten Mal gesehen habe, und wenn sich etwas daran geändert hat, dann höchstens, dass meine Liebe nur noch gewachsen ist.
    Leider beruht dies nicht auf Gegenseitigkeit. Du betrachtest mich als schwesterliche Freundin, das weiß ich, und empfindest große Zuneigung zu mir wie auch zum Rest meiner Familie. Aber diese alles verzehrende Glut, die ist einer anderen vorbehalten, stimmt es nicht?
    Du wirst Dich wundern, warum ich Dir das alles nie von Angesicht zu Angesicht gesagt habe, wo Du mich doch als eine schonungslos offene Person kennst. Nun, in bestimmten Dingen bin ich schüchterner, als Du es für möglich hältst. Außerdem war mir die Vorstellung, wie sich während meiner Beichte Mitleid in Deine Miene schleicht, derart zuwider, dass ich es einfach

Weitere Kostenlose Bücher