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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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nicht übers Herz gebracht habe.
    Es ist leichter, solche Dinge schriftlich zu formulieren, denn dann besteht nicht die Gefahr, dass einem die Stimme versagt oder man an seinen Tränen erstickt. Ach, Miguel! Ich hoffe, dass ich während meiner langen Abwesenheit über Dich hinwegkomme und dass Du, wenn meine Brüder und ich zurückkehren – immer vorausgesetzt, ich bleibe nicht in Lissabon und heirate dort –, diesen unseligen Brief vergessen haben wirst.
    Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe, dass wenigstens Deine heimliche Liebe Erfüllung findet.
    In tiefer Freundschaft und großer Sehnsucht, Deine Delfina
     
    PS : Jay habe ich übrigens nicht erfunden, um mich wichtig und Dich eifersüchtig zu machen. Es gab ihn wirklich. Aber er entpuppte sich als Feigling, und das ist eine Eigenschaft, die ich bei Männern absolut abstoßend finde. Bei Frauen auch. Ich verachte mich für meine eigene Feigheit und hoffe, dass Du sie mir verzeihst. Leb wohl, mein Geliebter.
    Miguel war wie vor den Kopf gestoßen. Delfina musste ihm den Brief zugesteckt haben, als sie sich zum Abschied umarmt hatten. Wie hatte er nur ihre Verliebtheit übersehen können? War er so sehr mit seinen eigenen Sorgen, Plänen und Gefühlen beschäftigt, dass er die Seelennöte seiner Nächsten gar nicht mehr wahrnahm? Oder war Delfina eine begnadete Schauspielerin, der es gelungen war, eine überragende Vorstellung von jovialer Freundschaftlichkeit zu geben? Es war ein wenig von beidem, schätzte er.
    Und nun? Er konnte auf dieses Geständnis nicht reagieren, und wahrscheinlich war es genau das, was Delfina beabsichtigt hatte. Es würde das Beste sein, sie eine Weile in Ruhe zu lassen. Er würde ihr nicht schreiben. Aber er würde darum beten, dass sie ihn bald vergaß und in Europa einen besseren Mann als ihn kennenlernte – einen, der die subtilen Andeutungen und die feinen Schwankungen in ihrem Tonfall richtig deutete, der hinter der Fassade des kecken, ein wenig burschikosen Mädchens die empfindsame Seele einer Frau entdeckte.
    Er selber würde unterdessen versuchen, hinter die Maske der geheimnisvollen Dona Amba zu schauen.

[home]
33
    A mba war außer sich vor Empörung und vor Angst. Kaum verließ die Katze das Haus, tanzten die Mäuse auf dem Tisch. Und mit welchen verheerenden Folgen! Makarand hatte kein vernünftiges Wort herausgebracht, bis sie ihn geschüttelt und ihm eine Ohrfeige verpasst hatte. Da war er wieder zu Verstand gekommen und hatte ihr in allen Einzelheiten geschildert, was geschehen war. Es war eine Katastrophe!
    Man hatte Makarand nach einer Weile laufen lassen, das Mädchen jedoch in den Kerker geworfen, angeblich, weil sie sich als eine andere ausgegeben hatte und eine Diebin war. Makarand weinte, während er berichtete, und immer wieder kam er auf die Frage zurück, wieso diese Anschuldigungen gegen Anuprabha erhoben wurden. Es war, so meinte er, doch nicht mehr als eine kleine Übertretung häuslicher Regeln gewesen. Was hatte die Inquisition damit zu tun?
    Amba jedoch dämmerte es, dass, wäre sie in der Stadt gewesen, sie selber verhaftet worden wäre. Und das wiederum konnte nur bedeuten, dass man ihre falsche Identität aufgedeckt hatte. Wie sollte sie nun Anuprabha aus dem Gefängnis befreien, ohne zugleich selber eingesperrt zu werden? Es war eine verfahrene Situation, und ihr fiel beim besten Willen keine Lösung ein, die für alle die Rettung bedeutet hätte. Aber allzu lange durfte sie sich beim Schmieden eines Planes auch nicht Zeit lassen. Je länger Anuprabha in den Fängen der Folterknechte war, desto größer war die Gefahr, dass sie es nicht überlebte.
    Sie dachte daran, der Kirche eine sehr großzügige Summe Geldes zu spenden, was sie gerade jetzt, mit den Einnahmen ihrer Plantage, ohne weiteres hätte tun können. Doch wen sollte sie mit der Aufgabe betrauen? Dass sie selber sich in die Höhle des Löwen begab, war ausgeschlossen. Nayana war vertrauenswürdig, aber im Umgang mit Geld so unbedarft, dass sie es ganz falsch angestellt hätte. Die jüngeren Frauen würde man aufgrund ihres bescheidenen Auftretens nicht ernst nehmen, und Dakshesh war körperlich nicht in der geeigneten Verfassung. Jeder ungeschickte Taschendieb hätte ihn um das Geld erleichtern können, das er mit sich trug. Blieb nur Makarand. Aber wollte sie den Jungen wirklich erneut der Qual aussetzen, den Wärtern seiner Geliebten gegenüberzutreten? Wer wusste schon, wie ein junger, aufbrausender Mensch reagieren würde? Nach

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