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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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eingerichtet.« Miguel war, kaum dass er daheim eingetroffen war, über ein winziges Damenpantöffelchen gestolpert. Dass nicht Isabel de Matos es verloren hatte, sondern seine Dienstboten, die damit tags zuvor herumgealbert hatten, während die Gäste sich ausruhten, konnte er nicht ahnen. Er war wütend. Er war verletzt. Er fühlte sich betrogen. Und er war nach dem Ritt hierher schon wieder am Ende seiner Kräfte. Nach hohlen Höflichkeitsfloskeln stand ihm zurzeit absolut nicht der Sinn.
    Die junge Frau glotzte entgeistert ihren Pantoffel in seiner Hand an. »Und ich sehe, dass Ihr keine Zeit verliert, um die Trophäen Eurer vermeintlichen Eroberungen zu sammeln. Ihr werdet Eurem Ruf mehr als gerecht.«
    Wider Willen verzog Miguel die Lippen zu einem Lächeln. Schlagfertig war sie ja, die hübsche Isabel.
    »Ich nehme an, Ihr seid meine Verlobte?«, spöttelte er.
    »Das werden wir noch sehen. Zunächst einmal bin ich Isabel de Matos, eine Freundin Eurer Familie, die allein deshalb Eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen muss, weil die Cholera einen Aufenthalt in der Stadt nicht ratsam erscheinen ließ.«
    »Nein, das ist keine Krankheit, die man jemandem wünscht, nicht einmal dem ärgsten Feind. Ich hatte sie selber.«
    »Ihr hattet die Cholera? Und habt sie überlebt?«, rief Isabel.
    »Ich mag nicht sehr vital wirken, bin aber durchaus nicht tot, wie Ihr bemerkt haben dürftet. Ich kann Euch also zu meinem allergeringsten Bedauern nicht mit einer tragischen Geschichte dienen. Ja, ich habe überlebt. Und zwar knapp. Ich befand mich gerade in einer, hm, rekonvaleszenten Phase, als man mir Eure Ankunft meldete.«
    »Nun, dann würde ich Euch raten, Euch gleich wieder hinzulegen.«
    »Habe ich doch gesagt: Ihr habt Euch bereits häuslich eingerichtet. Ihr führt Euch genauso auf wie die Ehefrau, nach der mich nicht verlangt. Meine Mutter dafür umso mehr.«
    Isabel wusste nicht, wie sie den jungen Ribeiro Cruz einschätzen sollte. Was er sagte, gab ihr Hoffnung. Anscheinend war er genauso wenig erpicht auf eine Eheschließung wie sie. Das war gut. Doch die Feindseligkeit, die er ihr entgegenbrachte, empfand sie als beleidigend. Das hatte sie nicht verdient. Niemand nahm eine so zermürbende lange Reise auf sich, um so empfangen zu werden. Und die armen Queiroz! Er hatte mit ihnen noch kein Wort gesprochen, sondern sie einfach wie ungebetene Quälgeister behandelt, also ignoriert. Im Grunde waren sie das natürlich, gestand Isabel sich ein: ungebetene Quälgeister. Ein wenig mehr Contenance hätte sie dennoch von ihm erwartet.
    »Unsere Mütter haben, wie es scheint, viel gemein. Meine sucht so verzweifelt nach einem Gatten für mich, dass sie inzwischen schon Kandidaten Eures Kalibers für mich auftreibt.«
    Die beiden standen sich wie Kampfhähne gegenüber. Sie starrten einander an, bis sie plötzlich beide anfingen zu lachen, zögerlich erst, dann immer herzhafter. Die Dienstboten, die das Schauspiel alle heimlich mitverfolgten, waren angesichts des Geisteszustands ihres Herrn wie auch seiner Besucherin besorgt. Der eine hatte gerade erst eine schwere Krankheit überstanden, die andere eine schwierige Seereise. Beide standen am Rande eines Nervenzusammenbruchs, das war klar und deutlich zu erkennen. Kein normaler Mensch lachte so hysterisch, dass ihm die Tränen kamen und sein Körper wie unter Krämpfen zuckte. Govind huschte schnell in die Küche, um den beiden einen beruhigenden Trank zuzubereiten.
    Später nahmen Miguel, Isabel und die Eheleute Queiroz gemeinsam im Salon Platz. Man servierte ihnen diesmal Gebäck portugiesischer Machart sowie Kaffee. Das, hoffte Miguel, würde den Leuten die Ankunft in dem fremden Land, noch dazu unter so erschwerten Bedingungen, versüßen. Sie plauderten über gemeinsame Bekannte in Lissabon, über die neuesten Modeeskapaden der Damen am Hof in Spanien sowie über die Machenschaften des europäischen Adels. Miguel interessierte sich kaum für die banalen Themen, fand das Gespräch aber amüsant. Es tat gut, einmal wieder Klatsch und Tratsch aus der alten Heimat zu hören und zu merken, wie wenig er all das vermisste.
    Er unterhielt seinerseits die Gäste mit Beobachtungen, die er in Indien gesammelt hatte, und gab ihnen jede Menge Ratschläge, die im Alltag nützlich sein dürften. So riet er ihnen, nie die linke Hand beim Essen zu Hilfe zu nehmen, sich unter keinen Umständen in der Öffentlichkeit mit einem Taschentuch die Nase zu säubern und auf gar keinen Fall

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