Der indigoblaue Schleier
Körperkontakt zu Bettlern oder sogenannten »Unberührbaren« zuzulassen. Er erklärte ihnen die Bedeutung des typisch indischen Kopfrollens und hielt sich mit längeren Beschreibungen der indischen Küche sowie ihrer Zutaten auf.
»Ihr seid im Gewürzhandel Eures Herrn Vater tätig, nicht wahr?«, fragte Senhor Afonso.
»Ich sehe hier ein wenig nach dem Rechten, mehr nicht. Ich baue gerade ein eigenes Geschäft auf.«
Nun wollten die Gäste dazu alles hören. Miguel ärgerte sich, dass er es überhaupt erwähnt hatte. Er hatte ja noch keinerlei Gewinn vorzuweisen, und es widerstrebte ihm, sich mit Erfolgen zu brüsten, die es noch gar nicht gab. Er wand sich und redete um den heißen Brei herum, bis er das Thema auf die Tätigkeiten des Senhor Afonso, eines Geographen, lenkte. »Und Ihr, Senhor Afonso? Was genau führt Euch hierher?«
Der Wortschwall, der sich nun über Miguel ergoss, ergab in der Zusammenfassung, dass der Hof eine bessere Ausbeutung der Bodenschätze Indiens anstrebte. Insbesondere Gold wurde gesucht, nachdem die Minen in Mosambik sich als wenig ergiebig gezeigt hatten und die Funde in den südamerikanischen Kolonien schon längst für die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen ausgegeben worden waren, die Spanien sich leistete. Es musste mehr Gold entdeckt werden.
»Aber Goa sowie die anderen Fleckchen weiter nördlich, Damão und Diu, die zusammen Portugiesisch-Indien ergeben, sind sehr klein und sehr flach. Die Wahrscheinlichkeit, hier oder dort auf Gold zu stoßen, ist äußerst gering«, wandte Miguel ein.
»Es gibt neuartige Messmethoden«, sagte Senhor Afonso. »Darum bin ich hier.«
Miguel vermutete, dass noch mehr dahintersteckte. Man schickte keinen ältlichen Mann samt Gemahlin in eine Kolonie, die für ihr anstrengendes Klima und schwierige Lebensbedingungen berüchtigt war, wenn man ihm daheim einen schöneren und ruhigeren Posten hätte anbieten wollen. Und die Abenteuerlust war es sicher nicht, die die Eheleute Queiroz antrieb.
Im Gegensatz zu Isabel. Sie erinnerte Miguel immer mehr an Delfina. Dasselbe Streben nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit zeichnete sie aus. Nur war Isabel de Matos viel hübscher. Sie war, nachdem sie aufgetaut war und sich nicht mehr so spröde gab wie in den ersten Minuten ihrer Begegnung, eine zauberhafte junge Frau. Ihr Lachen war offen und ansteckend, ihr Humor zuweilen ein wenig bissig. Sie war sehr selbstbewusst, und ihre Ehrlichkeit war manchmal schonungslos, dabei jedoch erfrischend. Insgesamt wirkte sie trotz allem diplomatischer und reifer als Delfina, was daran liegen mochte, dass sie rund zwei Jahre älter als diese war.
Miguel musste unbewusst geschmunzelt haben, denn Isabel fragte ihn nun: »Dürfen wir an dem teilhaben, was Euch gerade so amüsiert?«
»Oh, es ist nichts. Ihr erinnert mich nur an eine Freundin. Ich glaube nicht, dass Ihr sie kennt, Delfina de Mendonça? Leider werdet Ihr nicht mehr das Vergnügen haben, sie kennenzulernen, denn sie ist mit ihrer Familie vor kurzem nach Europa aufgebrochen. Eure Schiffe hätten einander begegnen können.«
»Mendonça, sagt Ihr?«, rief Dona Juliana ganz aufgeregt. »Doch nicht wie in Dona Assunção Mendonça?«
»Aber ja doch, genau die. Kennt Ihr die Familie? Ich hatte mich sehr gut mit ihnen allen angefreundet, sie waren mir in der ersten Zeit hier in der Kolonie ein großer Halt. Die drei Kinder, Álvaro, Sidónio und Delfina, sind etwa in meinem Alter. Und Dona Assunção ist eine großartige Dame.«
»Ich kenne sie nicht persönlich. Aber sie wird sich mit einem alten Freund von uns vermählen, Senhor Fernão Magalhães da Costa.«
Es entspann sich ein angeregtes Gespräch, in dem man die Vorzüge der Brautleute rühmte, wobei Miguel Dona Assunção als eine Heilige von großer Schönheit anpries, während Dona Juliana den reifen Bräutigam, Fernão Magalhães da Costa, als einen so phantastischen Mann beschrieb, dass ihr eigener Ehemann schon leicht konsterniert dreinblickte.
»Ich habe den Eindruck«, meldete sich schließlich Isabel zu Wort, die zu dem Thema nichts beizusteuern hatte, »dass die mir unbekannten Herrschaften, Dona Assunção und Senhor Fernão, ein wunderbares Gespann bilden werden. Vielleicht sind aus der Ferne arrangierte Ehen gar nicht so übel.« Sie warf Miguel einen rätselhaften Blick zu, bevor sie fortfuhr: »Natürlich haben die beiden Herrschaften sich aus freien Stücken und allein aus Vernunftgründen füreinander entschieden. Es
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