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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Krater in der Erde gebildet hatten. Kein Wunder, dass die Kutsche fast so schlimm wankte wie ihr Schiff und nur im Schneckentempo vorankam. Immerhin kamen sie überhaupt voran, dachte Isabel, die wild entschlossen war, ihrer ersten großen Reise nur das Beste abzugewinnen, egal, wie scheußlich alles zunächst einmal wirkte.
    Es hatte aufgehört zu regnen, und auch die Luft roch frisch und sauber, so dass Isabel nun ungefragt die Vorhänge ganz öffnete.
    »Riecht es nicht herrlich?«, rief sie.
    Aber ihre Reisegefährten waren nicht gewillt, sich durch wohlmeinende Aufmunterungen aus ihrer dumpfen Laune befreien zu lassen.
    »Diese Fahrt wird meinen lieben Mann töten!«, heulte Dona Juliana. Tatsächlich war Senhor Afonso ein wenig grau im Gesicht. Er musste unerträgliche Schmerzen haben, mochte sich aber vor den Damen kein unmannhaftes Gejammer gestatten.
    »Diese Fahrt, meine liebe, hochverehrte Dona Juliana, wird uns allen das Leben retten«, sagte Isabel schärfer als beabsichtigt. »Und ein paar gebrochene Rippen haben noch niemanden umgebracht, stimmt es nicht, Senhor Afonso?«
    Der Mann nickte, denn Worte brachte er vor Schmerzen keine hervor.
    »Und es kann ja auch nicht mehr lange dauern«, beschwichtigte Isabel die ältere Dame, die sie konsterniert anstarrte.
    »An Bord der Galeone wart Ihr, wie soll ich sagen, weitaus damenhafter«, sagte Dona Juliana. Isabel wusste, dass sie recht hatte. Und sie wusste, dass sie der älteren Dame noch sehr viel mehr Anlass zu derartigen Beschwerden liefern würde. Es tat ihr leid – allerdings nicht so sehr, dass sie deswegen ihr Verhalten geändert hätte. Sie war jung und hatte damit alle Argumente auf ihrer Seite. Diese Leute waren alt und hatten keine Ahnung.
    Der Kutscher klopfte gegen das Chassis, und Isabel steckte den Kopf durchs Fenster, um zu hören, was er ihnen mitteilen wollte. »Wir sind bald da«, sagte er, verkroch sich wieder unter seinem zeltgleichen Umhang und widmete sich den mürrischen Pferden, die es satthatten, durch den Schlamm zu waten.
    »Wir sind bald da«, gab Isabel die Auskunft an die Queiroz weiter.
    »Gelobt sei der Herr!«, rief Dona Juliana. Ihr Mann nickte nur.
    Wenig später fuhren sie in eine Auffahrt ein, die von tiefen Wasserrinnen durchzogen war. Auf den gemauerten Pfosten, die ein Tor hätten tragen sollen, von dem aber nichts zu sehen war, lasen sie »Solar das Mangueiras« auf einem Azulejo-Schild. Wie schön, fand Isabel. Daheim hätte ein Herrenhaus sich vielleicht »Unter den Eichen« genannt, hier waren die Mangobäume namengebend.
    Sie war so erleichtert, dass sie es heil hierher geschafft hatten, dass ihre Aufregung, dem berühmten Schwerenöter in Kürze gegenübertreten zu müssen, sich daneben lächerlich ausnahm. Was waren schon zerknitterte Kleidung, jammernde Alte, wacklige Beine von der langen Zeit auf See oder eine ruinierte Frisur? Sie lebten! Alles andere war zweitrangig. Dennoch zupfte sie nervös an ihrem Haar herum, bis Dona Juliana sie davon abhielt: »Nun hört schon auf damit. Ihr seht wunderschön aus, daran ändert keine Seefahrt, kein Monsun und nicht einmal die Cholera etwas.«
    Spontan beugte Isabel sich zu der Dame hinüber und gab ihr ein Küsschen auf die Wange. »Ihr seid ein Schatz, Dona Juliana!«
    Die Kutsche hielt direkt vor der Treppe, die zu einem überdachten Eingang führte. Das Haus sah nach großem Reichtum aus. Es war riesig und sehr gepflegt. Sein roséfarbener Anstrich wirkte zwar in dem trüben Wetter nicht so fröhlich, wie er es hätte tun sollen, und die verschlossenen Fensterläden verliehen ihm etwas Abweisendes, doch man erkannte, dass hier mit Geschmack und viel Geld zu Werke gegangen worden war.
    Sie warteten auf einen Diener, der ihnen dabei behilflich wäre, die Kutsche trockenen Fußes zu verlassen. Aber niemand erschien. Also stieg Isabel aus und zog energisch an der Türglocke. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis die Tür sich einen Spalt weit öffnete. Ein verängstigter Bursche, fast noch ein Junge, sah sie fragend an: »Ihr wünscht?«
    »Was glaubst du denn wohl, was ich wünsche? Deinen Herrn zu sehen, natürlich.«
    »Er ist nicht hier.«
    »Und für den Fall, wie während seiner Abwesenheit mit Besuchern zu verfahren sei, hat er dir wohl keine Anweisungen hinterlassen?« Isabel ärgerte sich maßlos über den Kerl. Da hatten sie nun den halben Globus umrundet, hatten eine verseuchte Stadt hinter sich gelassen und einen unbefahrbaren Weg befahren, nur um hier

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