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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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abgesehen von dem Verlust ihrer Jungfräulichkeit natürlich. Ihre seelischen Wunden werden länger benötigen, um zu heilen.«
    Frei Martinho wurde rot vor Zorn. Die beiden Mönche, die rechts und links von ihm saßen und jede seiner Regungen kannten, bekamen es mit der Angst. Der Padre war der Inbegriff an Beherrschtheit und Gefühlskälte, und dass er nun offensichtlich so verärgert war, konnte nichts Gutes zu bedeuten haben.
    »Die geschändete Frau behauptet also auch noch, vorher unberührt gewesen zu sein? Nun, das sind mir ja schöne Beweise, Senhor.«
    »Sie ist sechzehn Jahre alt und ein braves Mädchen. Ich habe sie gesehen, Padre, nachdem Eure Männer sie in die Finger bekommen hatten. Sie war ein Wrack.«
    »Wie ist sie denn aus dem Kerker freigekommen?«, fragte Frei Martinho. Mangelnden Scharfsinn konnte man ihm nicht unterstellen. Für gewöhnlich blieben solche Mädchen und Frauen im Gefängnis, der Willkür ihrer Wärter ausgeliefert, bis sie an mangelhafter Ernährung, vor Kummer oder durch Rattenbisse starben. Es geschah selten, dass jemand diesem Schicksal entkam, wenn er sich nicht freikaufen konnte.
    »Ich habe der Kirche eine großzügige Spende gemacht und um Gnade gebeten. Daraufhin hat man sie entlassen. Ich wette, diese Spende ist bei Euch nie angekommen …«
    »Erstens, junger Mann: Gewettet wird hier nicht. Zweitens: Über die Eingänge von Spenden ist Euch niemand Rechenschaft schuldig. Und drittens: Wie kam es, dass Ihr dieses Geld gegeben habt, wenn es sich nur um irgendeine Dienstmagd gehandelt hat? Ist sie Euch vielleicht doch näher gewesen, als Ihr behauptet?«
    Miguel atmete tief durch. Es war schwer, nicht aus der Haut zu fahren und den Mann zu schütteln. Ganz gleich, was er sagte, immer wurde es ihm zu seinen Ungunsten ausgelegt. Er hatte den Verdacht, dass Frei Martinho ihn missverstehen
wollte.
Aber warum sollte er diesen Wunsch haben? Es konnte doch nicht in seinem Interesse sein, einen üblen Gesellen wie Carlos Alberto zu verteidigen und diesen weiterhin gewähren zu lassen und stattdessen die unbescholtenen Bürger zu schikanieren und damit sogar die gottesfürchtigsten Leute gegen sich aufzubringen.
    »Nicht jeder Mann«, antwortete Miguel in beherrschtem Ton, »ist ein Vergewaltiger. Es soll durchaus Männer geben, sogar in dieser ›sündigen‹ Kolonie, die die Lehren der Kirche beherzigen und nicht über unschuldige, wehrlose Mädchen herfallen – allerdings frage ich mich, wie lange noch. Denn die Kirchenmänner selbst sind ja in diesen Zeiten nicht immer ein leuchtendes Vorbild …«
    »Wenn es stimmt, was man über Euch hört, seid Ihr aber keiner von diesen braven Bürgern. Ihr habt es nicht gerade eilig, in den Stand der Ehe zu treten, und mir scheint, dass Ihr Euch gewisse Rechte, die dieser Stand mit sich brächte, schon vorher herausnehmt.« Frei Martinhos Blick war lauernd.
    Miguel rutschte das Herz in die Hose. Wusste der Geistliche etwas von Amba? Doch als der Mann fortfuhr, beruhigte Miguel sich etwas.
    »Ihr habt eine Verlobte, die Ihr anscheinend nicht zu ehelichen gedenkt. Das wirft ein schlechtes Licht auf Euch. Insbesondere angesichts der undurchsichtigen Umstände Eurer Flucht aus Lissabon …«
    Aha, daher wehte also der Wind. Miguel hatte nicht vor, darauf einzugehen. »Stehe ich vor Gericht? Mir war das nicht klar, sonst hätte ich mir einen Verteidiger mitgebracht. Meiner Meinung nach sollte dies eine Anhörung über die unzumutbaren Handlungen von Carlos Alberto Sant’Ana sein. Der übrigens«, nun fiel Miguel doch noch eine Sünde des einstigen Reisegefährten ein, die unwiderlegbar war, »ein Kind mit einer Inderin gezeugt hat, das nun, da seine Mutter gestorben ist, im Waisenhaus sein Dasein fristet.«
    Frei Martinho musste sich sehr zusammennehmen, um sich sein Erschrecken nicht anmerken zu lassen. Davon hatte er nichts gewusst. Um all die anderen Verfehlungen seines Handlangers wusste er schon lange, denn Ribeiro Cruz war beileibe nicht der Einzige, der Beschwerde einlegte. Er glaubte dem jungen Mann, der vor ihm stand, jedes Wort, denn er selber hatte die Schäbigkeit des Charakters von Sant’Ana nur allzu gut kennengelernt. Dennoch war er nicht gewillt, ihn wohlwollend zu behandeln. Wenn man einen dicken Fisch an der Angel hatte, ließ man diesen nicht leichtfertig los. Und Miguel Ribeiro Cruz war einer der dicksten Fische, die er je fangen würde – allerdings auch einer der glitschigsten. Es war schwer, dem Kaufmannssohn

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