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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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paar Tage glücklich zu fühlen, jung und unbeschwert? Sie hätte es besser wissen müssen.
    Sie war zu Maria Nunes gegangen, der sie gelegentlich Geldspenden für die Bedürftigen brachte und die eine von Herzen gute Person war, eine reine Seele, wie man sie nur selten traf. Ihr hatte sie ihre Nöte anvertrauen wollen, von ihr hatte sie sich Labsal erhofft. Maria Nunes, wie sie weiterhin, auch nach ihrer Hochzeit mit einem Mann, der wenige Tage nach der Trauung auf Reisen gegangen war, von allen genannt wurde, hatte ihr zuhören wollen. Sie war nur schnell in den Nebenraum verschwunden, um eigenhändig zwei Tassen Chai zuzubereiten – denn ihre Hausdiener hatte sie ebenfalls in den Dienst der Waisen und Kranken gestellt –, und hatte nicht darauf geachtet, ob in ihrem Salon etwas herumlag, das nicht für fremde Augen bestimmt war. Amba hatte auch nicht neugierig sein wollen. Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, die Post anderer Leute durchzulesen oder irgendwelche Gegenstände zu berühren, die ihr Interesse erregten.
    Doch auf dem Beistelltisch direkt neben ihrem Lehnstuhl hatte eine Karte gelegen. Der Name Miguel Ribeiro Cruz war darauf fett gedruckt gewesen, genau wie der von Isabel de Matos. Und da hatte Amba nicht länger widerstehen können und nach der Karte gegriffen. Es handelte sich um die Einladung zur offiziellen Verlobung. Heute in zwei Wochen sollte das Ereignis stattfinden. Zitternd legte Amba die Karte beiseite. Im selben Augenblick kam die hochschwangere Maria zurück, zwei dampfende Becher vor sich her balancierend.
    »So, meine Liebe, nun trinkt erst einmal von diesem beruhigenden Gewürzaufguss. Ihr seid ja ganz verwirrt.«
    »Danke, liebe Dona Maria. Und Ihr setzt Euch jetzt ebenfalls. Es ist nicht gut, in Eurem Zustand noch so viel herumzurennen und die Arbeit einer Dienstmagd zu verrichten.«
    »Ach was, mir geht es blendend. Es gibt Menschen, bei denen meine Dienstmagd sich nützlicher machen kann als hier.«
    »Eure Arbeit ist ein Segen für Goa. Ihr seid ein wahrer Engel. Aber weil Ihr ohne Hilfe natürlich auch keine Wunder vollbringen könnt, habe ich Euch dies hier mitgebracht.« Amba entnahm einem kleinen Beutel eine Handvoll Goldmünzen.
    Maria machte große Augen. »Aber … das ist sehr viel Geld, das kann ich nicht …«
    »Sicher könnt Ihr. Ihr müsst sogar. Ich schenke es ja nicht Euch, sondern den Bedürftigen. In ihrer Pflicht zur Nächstenliebe unterscheiden sich Christen und Hindus nämlich nicht allzu sehr voneinander.«
    Maria nahm die Münzen, erhob sich und verschloss sie umständlich in einem Kästchen, das in ihrem Sekretär stand. Als sie zurückkam, hatten ihre roten Wangen wieder ihren normalen, blassen Ton angenommen.
    »Aber das«, ermunterte sie ihre Besucherin zum Reden, »war nicht der ursprüngliche Anlass Eures Kommens, nicht wahr?«
    Amba wusste nicht, ob sie angesichts der veränderten Umstände noch das tun sollte, weshalb sie gekommen war. Sie hatte vorgehabt, bei Maria Nunes eine Art Beichte abzulegen. Sie wollte endlich einer vertrauenswürdigen Person – und kein männlicher katholischer Priester würde für sie je in diese Kategorie fallen – alles erzählen, was sie bedrückte, was ihr widerfahren war, was sie verbrochen hatte. Sie hatte sich von Maria, die ja eine Bekannte von Miguel war, einen guten und neutralen Rat erhofft, wie in ihrer vertrackten Situation vorzugehen sei. Aber die Einladungskarte hatte Ambas Pläne zunichtegemacht.
    Vielleicht war es besser so. Maria hätte mit ihrem allzu gutherzigen Wesen gar nicht verstanden, was in Amba vorging. Und außerdem hatte Maria bestimmt genügend eigene Sorgen, als dass man sie noch mit denen fremder Leute behelligen musste. Eine junge Frau, hochschwanger, der Mann weit fort – und derart allein in der Kolonie nahm sie es mit Cholera und Armut, mit Elend und Trostlosigkeit auf wie keine andere. Amba überlegte kurz, welche inneren Dämonen Maria mit ihrer Selbstlosigkeit bekämpfte, doch sie stellte die Frage nicht. Es war zu indiskret, und es ging sie ja nichts an. Genauso wenig wie es irgendjemanden etwas anging, welche Qualen sie, Amba, seit dem Augenblick durchlitt, da sie es schwarz auf weiß gesehen hatte: Miguel verlobte sich.
    Maria wiederholte ihre Frage nicht. Es war eindeutig, dass Dona Amba gekommen war, weil sie etwas auf dem Herzen hatte, das sie mit ihr besprechen wollte, und ebenso klar war, dass plötzlich irgendetwas geschehen war, das ihre Entscheidung hinfällig

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