Der indigoblaue Schleier
dadurch an Lebenserfahrung gewönne, dass sie heiratete. Sie würde dann in einer Sache besser Bescheid wissen als jetzt, das schon. Zu einer besseren Frau wurde sie dadurch bestimmt nicht. Die Ehe qualifizierte sie ja nicht automatisch zu einer Krankenpflegerin. Miguel hatte außerdem das Bedürfnis, sein Gegenüber darüber aufzuklären, dass er und Isabel gar nicht miteinander verlobt waren. Es war nichts weiter als ein Gerücht, dem sie durch ihr Schweigen Nahrung gegeben hatten.
»Es wäre, für Isabel de Matos wie für Euch selber, der einzig richtige Schritt, vor den Traualtar zu treten. Die junge Dame würde dadurch einer Beschädigung ihres Rufs vorbeugen, denn es ist nicht gut, sich als ledige Frau allzu häufig in Begleitung eines Mannes sehen zu lassen, der als Verführer bekannt ist. Für Euch wäre die Verbindung ebenfalls sinnvoll, denn Isabel de Matos scheint mir über einen einwandfreien Charakter zu verfügen, der Euch Halt geben könnte.«
Miguel nickte. Da wollte er nicht widersprechen. Isabels guter Ruf war ja der Grund dafür gewesen, dass er und Isabel das Gerücht von ihrer Verlobung nie unterbunden hatten. Dass er selber des Haltes benötigt hätte, sah er zwar nicht ein, aber in den Augen der Kirche mochte es so scheinen.
»Eine Vermählung mit der jungen Dame wäre außerdem ein sehr deutliches Zeichen Eures guten Willens, Euer Leben zu ändern. Ihr müsst mehr Pflichten übernehmen, ein gottgefälliges Leben führen und aufhören, Euch nur um Euer Vergnügen den Kopf zu zerbrechen. Wenn Ihr diesen Schritt tätet, und zwar möglichst bald, dann könnte ich mich eventuell dazu bereit erklären, Euren Schilderungen mehr Glauben zu schenken und den Anschuldigungen nachzugehen.«
»Ich soll heiraten, um Euch glaubwürdiger zu erscheinen und meiner eigenen Verhaftung, aus welch unsinnigen Gründen auch immer, vorzubeugen?«, fragte Miguel fassungslos. Was hatte der Padre davon? War es reine Schikane? War es allein das befremdliche Vergnügen daran, seine Macht auszuspielen?
»Ihr habt eine sehr merkwürdige Sichtweise. Ihr sollt in Eurem eigenen Interesse heiraten. Eine Ehe würde Euch gut bekommen.«
Kurz war Miguel versucht, dem Padre dasselbe zu sagen: dass eine Ehe, oder doch zumindest die gelegentliche Vereinigung mit einer Frau, ihm gut bekäme und ganz sicher ein paar von dessen verknoteten Gehirnwindungen wieder entwirren würde. Was verstand dieser Pfaffe denn schon davon? Aber er nahm sich zusammen und erwiderte: »Ihr habt recht. Eine Ehe würde mir gut bekommen. Allerdings würde ich mir doch gern vorbehalten, den Zeitpunkt selber zu bestimmen. Im Übrigen seid Ihr einem Gerücht aufgesessen. Isabel de Matos und ich sind keineswegs verlobt. Wir könnten natürlich, wenn Ihr uns so dringend darum bittet, unsere Verlobung bekanntgeben. Danach, das wisst Ihr so gut wie ich, müssten wir noch eine Weile mit der Vermählung warten. Sagen wir, ein halbes Jahr? Immer vorausgesetzt, die junge Dame erhört mich. Isabel de Matos hat nämlich durchaus einen eigenen Kopf.«
»Seht Ihr, das meine ich. Als Eure Ehefrau würde Isabel de Matos sich in die Rolle fügen, die Gott ihr zubestimmt hat. Sie bedarf der Bändigung.«
»Was geschähe, wenn wir Euren, ähm, Rat nicht befolgten?«
»Was glaubt Ihr denn, was dann geschähe?«
Miguel sah den Padre an, der ihn mit hinterlistigem Blick studierte. Die Frage war wirkungsvoller als alle Strafen, die er ihm hätte androhen, und als alle Plagen, die er hätte heraufbeschwören können. Der Mann war gefährlich. Frei Martinho war gerissen und verbohrt. Es war besser, so zu tun, als füge man sich.
»Nun schön, ich werde um Isabel de Matos’ Hand anhalten. Aber ich flehe Euch an: Haltet Carlos Alberto Sant’Ana auf! Der Mann ist eine Gefahr für die Allgemeinheit, und er ist eine Schande für die Kirche.«
Frei Martino nickte und setzte einen, wie er glaubte, väterlich gütigen Blick auf.
Miguel hingegen sah in den Augen des Padre nur Hochmut und Fanatismus.
In einem jedoch ähnelten sich die Mienen der beiden: Sowohl Miguel als auch Frei Martinho zeigten eine gewisse Genugtuung. Beide glaubten, ihr Ziel erreicht und einen kleinen Sieg errungen zu haben.
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A mba sah die Buchstaben nur verschwommen vor sich. Tränen waren ihr in die Augen getreten, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut aufzuheulen. Wie konnte das sein? Wie hatte sie diesem Lügner jemals trauen können? Warum hatte sie es zugelassen, sich für ein
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