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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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direkt auf ihr Gesicht. Sie stützte sich auf ihren Ellbogen und betrachtete Miguel, der noch fest schlief. Er sah so jung und schutzbedürftig aus, wie er da mit halb geöffnetem Mund und strubbeligem Haar lag. Was tat sie ihm an? Worauf ließ er sich da ein? Sollte sie es wirklich gestatten, dass er sich ihr zuliebe oder wegen einer vorübergehenden Leidenschaft, die bald erkaltet wäre, sein Leben ruinierte? Wenn nicht, dann sollte sie ihn jetzt gleich verlassen und ihre Flucht wie geplant fortsetzen.
    In diesem Augenblick schlug Miguel die Augen auf und lächelte sie an. »Was für ein erfreulicher Anblick am frühen Morgen«, murmelte er, noch im Halbschlaf. »Oder ist es nur ein schöner Traum?« Er hob das Gesicht und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Wange. »Oh, es schmeckt ganz und gar wirklich.«
    »Es ist nicht früher Morgen, Miguel. Es ist später Nachmittag. Und Senhor Furtado hat sich noch immer nicht blicken lassen. Bist du ganz sicher, dass er uns nicht verrät und wir uns plötzlich einer Armee von Wachleuten gegenübersehen?«
    »Ja.« Miguels Schläfrigkeit war schnell verflogen, als ihm einfiel, wo sie sich befanden und warum. Seine Stimme klang nun wieder klar und scharf und spiegelte damit genau seinen Geisteszustand wider. »Er wird gleich kommen. Und ich bin sicher, dass er sich etwas Gutes hat einfallen lassen. Der Mann ist sehr gewitzt.«
    Kaum hatte er es ausgesprochen, da klopfte es schon an der Tür. Miguel und Amba glitten blitzschnell aus dem Bett, zupften an ihrer Kleidung und sagten gleichzeitig »herein«.
    Furtado war außer Atem. Er musste sehr aufgewühlt sein, denn es war das erste Mal, dass Miguel ihn mit zerrauftem Haar und zerknitterter
kurta
sah. »Dieser Brief«, keuchte er, »es ist ungeheuerlich!«
    »Ja, allerdings«, entgegnete Miguel. Amba schaute ihn fragend an, doch er vertröstete sie knapp: »Später.«
    »Was tut Ihr mir an? Soll ich nun derjenige sein, der Dona Beatriz den Wölfen zum Fraß vorwirft?«
    »Aber nein, durchaus nicht. Ihr könntet Euch jedoch eine, nun ja, geschönte Version einfallen lassen. Besonderen Wert lege ich allerdings darauf, dass meine Unschuld darin deutlich zum Ausdruck kommt.«
    »Verzeiht Ihr mir?«, fragte Senhor Furtado zerknirscht.
    »Ja.« Miguel wusste, was der andere damit meinte. Furtado schämte sich, weil er Miguel zu Unrecht verdächtigt hatte. Aber Miguel machte ihm weder einen Vorwurf daraus, noch mochte er sich jetzt mit längeren Gefühlsduseleien aufhalten. »Was habt Ihr zuwege gebracht?«
    »Das nächste Schiff nach Lissabon verlässt Goa übermorgen. Bis dahin müsst Ihr Euch hier verstecken. So lange wird es übrigens auch dauern, bis ich Euch falsche Papiere besorgt habe.«
    »Wie wollt Ihr das anstellen?«, meldete sich nun erstmals Amba zu Wort.
    Furtado rollte mit dem Kopf und deutete ein Lächeln an: »Wer weiß …«
    »Ich habe eine Idee, wenn Ihr mir gestattet, einen Vorschlag zu machen.«
    Beide Männer sahen Amba neugierig an und forderten sie durch Gesten auf, fortzufahren.
    »Im Kerker sitzen zwei Männer ein. Sie heißen Chandra und Pradeep und kommen aus dem Nachbarland, Maharashtra. Ich weiß nicht genau, was sie verbrochen haben, aber ein qualvolles Siechtum im Verlies haben sie gewiss nicht verdient. Nun, das ist ein anderes Thema. Vielleicht könntet Ihr Euch eines Tages für ihre Befreiung einsetzen. Zunächst aber sollten wir versuchen, ihre Passierscheine in unseren Besitz zu bringen. Ich bin mir ziemlich sicher, ein Bündel im Stroh auf dem Boden gesehen zu haben, und mit ein wenig Glück befinden sich noch ihre Papiere darin. Ich meine, die Inquisition hat doch gar keine Verwendung dafür, ja, sie interessiert sich oft nicht einmal für die Identität der Inhaftierten, wenn diese von niemandem vermisst werden oder sich niemand für sie einsetzt.«
    »Was hast du mit diesen Männern zu schaffen?«, wollte Miguel wissen, und diesmal war sie es, die ihn mit einem knappen »später« beschied.
    »Was wollt Ihr mit den Papieren der Männer?«, fragte Furtado. »Ihr seid eine Frau, und Senhor Miguel ist Portugiese.«
    »Wie wahr. Aber mit sehr geringem Aufwand könnten wir als zwei Inder durchgehen. Senhor Miguel sieht in Eurer Kleidung schon recht indisch aus, und wenn er erst einen seidenen Rock mit Stehkragen, Schnabelschuhe und einen Turban trüge, würde er jeden damit täuschen. Ich selber könnte, in ähnlicher Aufmachung, für einen Knaben gehalten werden. Und da Chandra und Pradeep

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