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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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geplant, einen betrügerischen Handel mit falschen Reliquien zu beginnen, und er hatte ebenfalls seinen Freund um Hilfe gebeten. Dass er, Miguel, ihm diese verweigert hatte, schien ihn nicht von seinem Vorhaben abgehalten zu haben.
    »Eure Freundin hat nicht zufällig erwähnt, für welchen Preis Senhor Sant’Ana das Stück verkaufen wollte?«, fragte er, obwohl es eigentlich keine Rolle spielte.
    »Doch, zufällig hat sie das.« Dona Assunção sah ihn scharf an. »Er hat fünf
lakh
dafür verlangt.« Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: »Ihr müsst diesem Unmenschen Einhalt gebieten.«
    »Ich habe nichts mit diesen Machenschaften zu tun, werte Dona Assunção, und wüsste nicht, wieso ich mir dadurch, dass ich Senhor Sant’Ana von seinen Schandtaten abzuhalten versuche, den Anschein von Mitwisserschaft verleihen sollte. Denn so wird es doch aussehen, nicht wahr? Man wird glauben, dass ich ihm wirklich Geld geliehen oder sonst wie geholfen habe und jetzt, da er aufzufliegen droht, meinen Kopf aus der Schlinge ziehen will.«
    Dona Assunção wirkte skeptisch. »Vielleicht habt Ihr recht. Er wird sich ohnehin selber verraten. Er ist zu gierig. Er hätte es ja erst einmal mit einem Knochensplitter eines jüngeren Heiligen versuchen können, der noch nicht so lange tot ist und nicht so bekannt.«
    Wider Willen musste Miguel schmunzeln. »Ja, oder er hätte gleich einen erfinden können. Die heilige Assunção von Abessinien oder etwas in der Art.«
    Dona Assunção lachte herzhaft. »Oder einen
São Miguel da Ingenuidade Divina,
den heiligen Michael von der himmlischen Arglosigkeit.«
    Miguels Gesicht wurde wieder ernst. »Nun, ich mag arglos gewesen sein, das allein ist schließlich kein Verbrechen. Ich habe mich in Carlos Alberto getäuscht. Aber viel schlimmer ist doch die Arglosigkeit der Gläubigen, die sich wirklich eine falsche Reliquie von ihm andrehen lassen. Oder … Eure Freundin hat doch den Zahn nicht etwa gekauft?«
    »Nein, hat sie nicht. Und wisst Ihr, warum nicht? Der Zahn war zu gut erhalten. Er hatte keine Löcher, keine faulen Stellen – er sah aus, so beschrieb sie es, wie der Zahn eines gesunden indischen Halbwüchsigen, auch wenn man durch Säure und Schmutz versucht hatte, den Zahn aussehen zu lassen, als sei er mehr als tausend Jahre alt.«
    »Dumm ist er auch noch«, murmelte Miguel. Er hatte Carlos Alberto für raffinierter gehalten.
    »Ihr hättet Erkundigungen über ihn einziehen müssen. Goa ist klein, die meisten Dinge sprechen sich schnell herum. Habt Ihr Euch nicht gefragt, warum Carlos Alberto Sant’Ana nie auf einem der Empfänge, Bälle oder Diners zu sehen war, zu denen Ihr eingeladen wart?« Sie sah Miguels gerunzelte Stirn und beantwortete die unausgesprochene Frage. »Weil er ein Taugenichts ist. Er kam drei Jahre vor Euch in die Kolonie, und zwar unter ähnlichen Vorzeichen wie Ihr – wobei ich den Gerüchten, die Eure Ankunft begleiteten, keinen Glauben mehr schenke, seit ich Euch persönlich kenne. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Senhor Sant’Ana jedenfalls vergeudete keine Zeit. Gleich nach seinem Eintreffen schwängerte er ein junges indisches Mädchen und weigerte sich, es zu heiraten. Das Mädchen starb bei der Geburt des Kindes, das nun im Waisenhaus ist. Der ›stolze‹ Vater hat es nie anerkannt, obwohl der kleine Junge ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist.«
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Ich gehöre zu den Förderern des Waisenhauses. Gelegentlich schaue ich nach, ob unsere Gelder dort richtig verwendet werden. Der Kleine ist sehr niedlich, aber keiner will ihn adoptieren – die Inder haben dieselben Vorbehalte gegen Mischlinge wie wir, und in diesem Fall schrecken selbst die Halbinder davor zurück, sich des Kindes anzunehmen. Eines Tages könnte ja der leibliche Vater kommen und ihnen den Jungen, in den sie bis dahin vielleicht viel Zeit und Geld investiert hätten, streitig machen wollen. Die mangelnde Charakterfestigkeit des Senhor Sant’Ana lässt diese Befürchtungen leider allzu plausibel erscheinen.«
    In diesem Augenblick stürmte Delfina in den Raum, in dem Miguel und Dona Assunção saßen, und unterbrach ihr unerfreuliches Gespräch mit der aufgeregten Mitteilung, ein geachteter Bürger der Stadt sei verhaftet worden. »Die Inquisition hat Senhor Chandra aus seinem eigenen Haus geworfen! Er sitzt im Kerker, seine Frau und seine Kinder haben sich bei Verwandten verschanzt. Ich schwöre euch, diese Teufel haben es nur auf sein

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