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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Kolonie zählte, kam beinahe unbemerkt der »Sklavenhändler« zurück. Als Miguel ihn erblickte, hätte er beinahe einen Satz nach hinten gemacht.
    Da stand Carlos Alberto vor ihm, in Kleidern, wie sie vor rund 50  Jahren modern gewesen waren und die, für die Kostümierung angemessen, angestaubt und fadenscheinig aussahen. In einer Hand hielt er ein Weinglas, in der anderen eine Peitsche. An seinem Gürtel hing ein überdimensionaler Schlüssel aus Pappmaché.
    »Ah, mein Freund, du interessierst dich für meine kostbare Ware?«
    »Ganz und gar nicht. Aber ich finde es verblüffend, auf welch vielfältige Weise du dir Geldquellen erschließt. Kein Metier scheint dir zu anrüchig …«
    »Pecunia non olet.«
    »Geld stinkt vielleicht nicht – doch deinen Geschäftsmethoden haftet ein wirklich übler Geruch an. Aber bitte, tu, was du nicht lassen kannst. Nur: Noli turbare circulos meos!«
    Dem verwirrten Blick von Carlos Alberto nach zu urteilen, war Miguels Einschätzung richtig gewesen: Sein einstiger Freund hatte ein paar gängige Phrasen auf Latein parat, weiter reichten seine Kenntnisse der Sprache aber nicht. Seinem Rat, »Störe meine Kreise nicht«, würde er auf andere Weise Ausdruck verleihen müssen.
    Doch Delfina, die den Wortwechsel wie die anderen jungen Leute nur am Rande mitbekommen hatte, zog Miguel beiseite und flüsterte ihm ins Ohr: »Nicht hier.« In die Runde sagte sie lauter: »Ich muss euch Miguel kurz entführen.« Und schon schleppte sie ihn mit sich zu einem Hibiskusstrauch am Rande des Grundstücks. Von dort hörte man noch leise die Musik, ab und zu hallte ein helles Lachen bis zu ihnen.
    »Was soll das, Delfina? Nun wird man mir auch noch ein Techtelmechtel mit dir unterstellen.«
    »Genau.«
    »Könntest du dich bitte etwas klarer ausdrücken?«
    »Es ist so: Erstens drohte die Begegnung zwischen dir und Carlos Alberto in einen Streit auszuarten, und den wollte ich verhindern. Das könnt ihr bei anderer Gelegenheit nachholen, auf diesem Fest aber hat euer Zwist nichts verloren. Zweitens: Du musst um mich werben.«
    Miguel fühlte sich äußerst unwohl in seiner Haut. Wollte Delfina sich ihm auf diese plumpe Weise an den Hals werfen? Und wenn ja: Wie sollte er ihr zu verstehen geben, dass er an ihr kein Interesse hatte? Er mochte das Mädchen von Herzen gern, aber er betrachtete sie mehr als kleine Schwester denn als Frau.
    Delfina schienen seine Gewissensnöte nicht entgangen zu sein. »Nun schau nicht so belemmert drein, Miguel. Du brauchst mir nicht schonend beizubringen, dass deine Gefühle für mich nur geschwisterlicher Natur sind. Mir geht es umgekehrt genauso. Aber ich möchte dich um den Gefallen bitten, wenigstens so zu tun, als würdest du um mich werben. Nur das nächste halbe Jahr lang, in Ordnung?«
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Weil ich dich darum bitte.«
    »Und warum trittst du mit dieser sonderbaren Bitte an mich heran? Was solltest du davon haben, dass ich mich als dein Galan ausgebe?«
    »Wir sollen vor Beginn des Monsuns zu Mamães Hochzeit nach Lissabon abreisen. Wenn sie ihr Ziel, uns beide miteinander zu vermählen oder wenigstens eine Verlobung anzuberaumen, nicht erreicht hat, muss ich länger als nötig fortbleiben und mich den jungen Europäern auf Brautschau präsentieren. Das wird nicht geschehen. Ich … ich habe hier jemanden.«
    »Soll das heißen, du hast einen Verehrer, von dem niemand etwas ahnt?«
    »So ist es.«
    »Und warum stellst du uns den Glücklichen nicht vor?«
    »Kann ich dir vertrauen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Du sagst keiner Menschenseele etwas von dem, was ich dir nun erzähle?«
    »Nein.«
    »Mein … Bekannter ist Halbinder.«
    Miguel sog scharf die Luft ein. Das war allerdings ein Detail, das Dona Assunção nicht würde hinnehmen können.
    »Ach Miguel!«, sagte Delfina mit zittriger Stimme, der man anmerkte, dass das Mädchen mit Mühe die Tränen zurückhielt. »Er hat alles, was man sich bei einem Mann nur wünschen kann. Er ist klug, sanft und witzig. Er entstammt einer sehr vornehmen Familie und sieht blendend aus. Er hat Geld, und er ist Christ. Nur die richtige Hautfarbe, die hat er nicht. Wir werden heiraten, ob mit oder ohne die Genehmigung meiner Mutter. Und wenn sie mich zwingen will, mit ihr in Lissabon zu bleiben, dann werden wir vorher durchbrennen.«
    »Und inwiefern kann ich euch eine Hilfe sein?«
    »Verstehst du denn nicht? Wenn du um mich wirbst, wird sie mich bald nach Goa zurückkehren lassen und

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