Der indigoblaue Schleier
man könne ihn über Euch in Verbindung mit dem Betrüger bringen, für den er«, und hier ging seine Stimme in ein Flüstern über, »die Reliquienkästchen gefertigt hat.« Furtado sah die Gastgeberin auf sie zukommen und erhob die Stimme. »Ah, die wunderbare Senhora Pereira. Euer Fest, Dona Miranda, übertrifft die kühnsten Erwartungen!«
Miguel staunte über die vielen Gesichter Senhor Furtados: in einem Moment noch der Geheimnisträger mit Scharfblick, im nächsten der harmlose »Eingeborene«. Sein Ton war von einem Augenblick zum nächsten umgeschlagen von einem verschwörerischen Raunen zu der selbstbewussten Unterwürfigkeit, wie die höhergestellten Inder ihn zur Perfektion gebracht hatten. Was wie ein Widerspruch in sich klang, war nichts weiter als ihre Art, sich mit den Gegebenheiten abzufinden, ohne sich gänzlich unterzuordnen. Miguel hatte dieses Phänomen nun schon des Öfteren beobachtet. Kluge, wohlhabende und aus hohen Kasten stammende Inder konnten sich schlecht desselben Tones bedienen wie die indische Unterschicht, doch ebenso wenig mochten sie die Portugiesen allzu gut imitieren, die dies als Aufsässigkeit gedeutet hätten. Und so waren sie jovial und zurückhaltend zugleich, laut und leise in einem, groß und klein auf einmal – ein Kunststück, wie es nur Indern gelingen konnte.
Nachdem Furtado und seine Frau die Gastgeberin hinreichend bewundert und ihr zahllose Komplimente für das phantastische Fest gemacht hatten, sagte Senhor Furtado wie beiläufig zu Miguel: »Mein junger Freund, lasst uns die Damen nicht mit den leidigen Geschäftsproblemen behelligen. Passt es Euch am kommenden Montag? Dann könnten wir in aller Ruhe im Kontorhaus diese Angelegenheit besprechen.«
Miguel nickte und verließ das Grüppchen, um sich den anderen jungen Leuten zuzuwenden. Die meisten von ihnen, darunter auch die stille Maria, die arrogante Isaura sowie die drei Mendonça-Geschwister, hatten sich um zwei Gestalten geschart, die mit ihren Kostümen für Empörung wie Gelächter gleichermaßen sorgten. Es handelte sich um zwei junge Männer, die Miguel noch nicht kannte. Beide waren halb nackt im Lendenschurz erschienen, die Haut dunkelbraun gefärbt, die Gesichter in einer grotesken Maske zu Afrikanern geschminkt. An den Knöcheln waren die zwei durch eine Kette miteinander verbunden, was der Auslöser für das Lachen war. Denn keiner der beiden jungen Männer konnte einen Schritt ohne den anderen tun, und die halbe Zeit stolperten sie übereinander. Es war tatsächlich lustig, was angesichts der Geschmacklosigkeit ihrer Verkleidung einen kleinen Trost bot.
»Wo ist euer Aufpasser, ihr unnützes Sklavenpack?«, begehrte Isaura zu wissen. Miguel hatte seine Zweifel, ob sie es wirklich so spielerisch meinte – ihr Tonfall war herrisch und herablassend.
»Oh, Sinhá, nicht schlagen!«, rief der eine, und der andere fiel in das Gejammer ein: »Sinhá, habt Erbarmen! Unseren Herrn plagte die Notdurft, und er ließ uns hier zurück.«
Miguel lachte nun ebenfalls über das Schauspiel. Die beiden Männer waren wirklich gut in ihrer Darbietung. Er ließ sie sich von Delfina vorstellen.
»Der größere ist der junge Senhor Felipe Silva. Der kleinere ist Senhor Gustavo Moraes. Ich würde mich aber von ihrem Äußeren nicht täuschen lassen – der Große macht mehr her, aber der Kleine ist tüchtiger. Den würde ich an deiner Stelle kaufen.«
»Nein, nein, unser Herr will uns nicht verkaufen. Er behält uns, für seine Kakaoplantage in Brasilien.«
»Wer ist euer Herr?«, fragte Miguel. »Vielleicht lässt er mit sich reden. Es ist sicher nur eine Frage des Preises.«
Und so alberten sie noch eine Weile herum. Sie tranken reichlich von den angebotenen Weinen und Bränden und kosteten die Delikatessen, welche von den als Mohren verkleideten Indern auf Tabletts herumgereicht wurden. Es war eine nette Runde, die gut miteinander harmonierte. Sogar die so zurückhaltende Maria sagte hier und da ein Wort, und Miguel stellte erstaunt fest, dass das Mädchen einen feinen Sinn für Humor und ein beachtliches Allgemeinwissen hatte. Vielleicht half ihr die Verkleidung als Meeresungeheuer, ihre Schüchternheit zu überwinden. Das Kostüm war aufwendig gearbeitet, aber mit Marias liebreizendem Gesicht war das Ungeheuer alles andere als angsteinflößend.
Während Miguel sich mit Felipe und Gustavo unterhielt, die, wie sich herausstellte, Cousins waren und einer Familie angehörten, die zu den reichsten der
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