Der indigoblaue Schleier
schamlos mit Miguel zu flirten«, beschwerte sich Delfina. »Ihr werdet ihm das Herz brechen. So, nun kommt, lasst uns den Gastgebern unsere Aufwartung machen.«
Abermals schüttelte Miguel den Kopf über den lässigen Umgangston, den die Mendonças untereinander pflegten. Mit seiner Mutter hätte er nie so reden können, wie es Delfina mit Dona Assunção tat. Hätte Delfina ihre Mutter nicht mit dem respektvollen »Ihr« angesprochen, hätte man glauben können, die beiden seien gleichaltrige Freundinnen.
Haus und Garten der Pereiras waren wundervoll geschmückt und illuminiert. Eine Schar elegant gekleideter Diener kümmerte sich um das Wohl der Gäste, die sich zurzeit noch vorwiegend im Freien aufhielten. Im Garten waren zahlreiche Tische festlich eingedeckt worden, Fackeln beleuchteten die Kieswege, und in einem Zeltpavillon spielte ein indisches Quartett höfische Kammermusik. Nach dem Essen würden zahlreiche Gäste ins Innere des Hauses verschwinden, nicht nur, weil dort das Tanzparkett war, sondern auch, weil die Abendluft des subtropischen Winters recht frisch werden konnte. Miguel fand die Veranstaltung wie auch die Mischung der Gäste überaus gelungen und konnte nicht nachvollziehen, warum sie Dona Assunção anödete. Es waren neben den alten Bekannten – auch der Capitão Assis de Almeida nebst Gattin und drei Kindern sowie die Familie Nunes mit ihrer schüchternen Maria waren erschienen – allerlei indische Gäste geladen worden, natürlich nur solche von großem Einfluss oder Reichtum.
Senhor Chandra, der nur zwei Tage zuvor noch im Kerker eingesessen hatte, stellte demonstrativ seinen Wohlstand zur Schau. Er sowie seine Frau und älteren Kinder waren als die portugiesische Königsfamilie gekleidet, die vor mehr als hundert Jahren den Aufschwung Portugals zur Weltmacht begründet hatte. Auch der Juwelier, Senhor Rui, und seine Frau waren gekommen, beide in indischer Festmontur. Er trug eine an den Waden eng anliegende, extra lange Hose, die sich über den Knöcheln stauchte. Darüber hatte er einen langen, seidenen Rock mit Stehkragen an, der mit einer opulenten Smaragdbrosche geschlossen wurde. Über dem Rock trug er einen langen, mit Goldfäden durchwirkten Schal, auf dem Kopf einen Turban, in dessen Mitte ein weiterer Smaragd eine Feder hielt. Seine Frau, die Miguel heute zum ersten Mal sah, beeindruckte mit einem Festtags-Sari aus Seide, der über und über mit Goldfäden, Perlen und Edelsteinen bestickt war. Die Dame, deren Gesicht man vor lauter Schminke und Schmuck kaum erkennen konnte, das Miguel aber recht gewöhnlich erscheinen wollte, trug Armbänder von den Handgelenken bis zum Oberarm und klingelte bei der kleinsten Bewegung wie zehn Messdiener.
Es handelte sich eigentlich nicht um eine Verkleidung, denn üblicherweise waren Inder bei hohen Anlässen genau so gekleidet. Hier jedoch, inmitten der vielen Europäer, wirkte das hochelegante Paar durchaus passend gewandet. Es wunderte Miguel, dass Senhor Rui so mutig war. Immerhin war die Aussage dieses Kostüms, das keines war, deutlich:
Wir
sind eine »conquista portuguesa«. Aber vielleicht interpretierte Miguel auch einfach zu viel hinein. Vermutlich hatte das Paar den Sinn eines Kostümballs nicht richtig verstanden und sich in Schale geworfen, wie es das für ein anderes Fest auch getan hätte.
Als Miguel in Senhor Ruis Richtung ging, um ihn zu begrüßen und beiläufig zu fragen, ob er es sich mit dem Preis für den Diamanten und das Porzellanservice überlegt habe – wohl wissend, dass der Mann es ihm nicht für sieben
lakh
verkaufen konnte, wenn er nicht sein Gesicht verlieren wollte –, drehten die beiden ab. Sie wandten sich ostentativ einem vizeköniglichen Verwaltungbeamten zu, dessen Gesellschaft Miguel nicht eben vergnüglich erschien, und gaben ihm, Miguel, zu verstehen, dass sie keine Konversation mit ihm wünschten. Was hatte das zu bedeuten?
Zu den anwesenden Indern und Halbindern gehörten auch Senhor Furtado mit seiner Gemahlin. Die beiden waren beinahe identisch gekleidet. Sie hatten sich in gold schimmernde Tücher gewickelt, von denen unzählige klirrende Messingmünzen baumelten. »Wir sind der ›Goldschatz‹, nach dem Portugal in der Neuen Welt vergeblich gesucht hat«, erklärte Furtado mit einem spöttischen Grinsen.
»Nun, dann benehmt Euch doch freundlicherweise auch wie einer und erklärt mir das eigenartige Verhalten des Juweliers. Will er nichts mehr mit mir zu tun haben?«
»Er hat Angst,
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