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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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vorerst in die Obhut unseres Hauslehrers und meiner alten
ayah
geben. Und dann, wenn Mamãe weit genug weg ist, können wir ja die Verlobung lösen – und ich kann Jay heiraten.«
    »Das ist doch ausgemachter Unsinn, Delfina. Da kannst du dir ebenso gut einmal Europa ansehen und auch die potenziellen Bräutigame – du musst ja keinen davon nehmen –, und dann kehrst du nach Goa zurück und heiratest hier deinen Jay. Wenn er so lange nicht auf dich warten will, dann ist er es auch nicht wert, dass du ihn nimmst. Wie ich deine Mutter einschätze, wird sie dir sogar ihren Segen zu dieser Verbindung geben, auch wenn sie nicht gerade standesgemäß ist. Mich brauchst du doch gar nicht für deinen Plan, den ich, nebenbei bemerkt, für kindisch halte.«
    »Ich kann und will nicht so lange getrennt von Jay sein. Diese ausgedehnte Europareise mache ich nicht, basta.«
    »Warum wirbt eigentlich dieser Jay nicht um dich? Ist er ein solcher Feigling?«
    »Er ist kein Feigling! Aber er weiß, was auf mich zukäme, wenn unsere Liebe bekannt würde, und er will mir das ersparen.«
    »Nun ja, wenn ihr durchbrennt oder heimlich heiratet, erfahren doch auch alle von eurer Liebe, oder etwa nicht? Früher oder später müsst ihr euch den Vorurteilen der Gesellschaft stellen. Dann könnt ihr es auch jetzt schon tun.«
    »Nein, denn man würde uns mit Gewalt voneinander fernhalten. Seine Familie wäre ja ebenso wenig begeistert wie meine über eine Mischehe.«
    »Weißt du, Delfina, das Ganze erscheint mir doch sehr unausgegoren. Willst du deinen Plan nicht noch einmal in aller Ruhe überdenken? Und dann können wir bei mir zu Hause ja ungestört darüber diskutieren, in Ordnung? Denn hier«, Miguel blickte vielsagend zu dem Hibiskusstrauch, hinter dem gerade ein Diener aufkreuzte, »scheinen mir sogar die Pflanzen Ohren zu haben.«
    Er nahm das Mädchen am Arm und führte es auf die Tanzfläche, auf der gerade die ersten Paare Aufstellung genommen hatten.
    »Unterdessen«, sagte er mit einem schelmischen Lächeln, »werde ich der zauberhaften Delfina Mendonça den Hof machen.«
    Während Delfina ihren Platz in der Gruppe einnahm, schnallte Miguel sich seine Galionsfigur ab, um dann zu Delfina zu eilen und sich ihr gegenüber zu dem Gruppentanz aufzustellen. Die Kapelle spielte eine schnelle Chaconne-Melodie, zu der Delfina und Miguel beschwingt tanzten. Auch die nachfolgenden Courantes und Gavottes, Menuette und Musettes absolvierten sie, ohne eine einzige Pause einzulegen.
    Die Gruppentänze führten sie mit abwechselnden Partnern zusammen, so dass Delfina auch ein paar Worte mit Carlos Alberto, mit dem »Sklaven« Felipe sowie mit einem älteren Herrn wechselte, der beim Tempo der jungen Leute nur keuchend mithalten konnte. Miguel wiederum tauschte ein paar Nettigkeiten mit Isaura, mit Dona Assunção und mit einer reiferen Dame aus, die sich ihm als Dona Iolanda vorstellte und sich als vorzügliche und unermüdliche Tänzerin erwies.
    »Wie ist eigentlich Carlos Alberto an eine Einladung zu diesem Ball gekommen?«, fragte er Delfina, als sie nach einer Runde wieder bei ihm angelangt war.
    »Die Gastgeberin«, kam die Antwort ein paar Minuten später, als eine weitere Runde vorüber war und die Paare einander wieder in der ursprünglichen Aufstellung gegenüberstanden, »ist sehr religiös. Soviel ich weiß, hat sie sich von ihm ein paar Haare von irgendeinem ollen Heiligen andrehen lassen.«
    »Hat sie nicht«, sagte Dona Assunção, als sie eine Pirouette unter Miguels Arm vollführte, »ich habe sie noch rechtzeitig bremsen können.«
    Im weiteren Verlauf der Tänze schwieg Miguel. Es war ihm sehr unangenehm, dass sein Wortwechsel mit Delfina gehört worden war. Bestimmt waren auch die feindseligen Blicke, die er und Carlos Alberto tauschten, nicht unbemerkt geblieben. Aber das konnte ihm nur recht sein. Niemand sollte denken, er sei auf irgendeine Art und Weise in den Betrug verwickelt.
    Dass die Leute glaubten, er habe wegen eines schwangeren Mädchens Portugal verlassen müssen, war schlimm genug. Dass Senhor Furtado ihn für einen Dieb hielt, noch dazu einen, der den eigenen Vater bestahl, war demütigend, aber immerhin nie an die Öffentlichkeit gedrungen. Dass Carlos Alberto ihn nun in seine Machenschaften hineinziehen wollte, war empörend. Was war nur los mit ihm, dass alle Welt ihn für einen Taugenichts hielt und ihm bereitwillig das Schlimmste unterstellte? Da fehlte ihm jetzt nur noch Delfina, die ihn in eine

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