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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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sich erdreisten, sich zu seinem Fürsprecher aufzuschwingen, so als bedürfe er der Fürsprache? Er hatte sich schließlich nichts zuschulden kommen lassen.
    »Glaubt Ihr an meine Unschuld?«, fragte er den Inder.
    Der rollte mit dem Kopf. »Es kommt darauf an, in welcher Angelegenheit.«
    »In der mit den falschen Reliquien?«
    »Ja.«
    »In der mit der Gewürzfracht?«
    »Hm.«
    »Soll das heißen: nein?«
    »Ihr bringt mich in eine scheußliche Lage, Senhor Miguel. Ihr verlangt von mir eine Wahrheit, die Ihr gar nicht hören wollt. Ganz gleich, was ich sage, es wird das Falsche sein. Aber falls es Euch beruhigt: Es verdichten sich die Anzeichen, dass weiterhin Frachtgut in Lissabon ›verloren‹ geht – wo Ihr Euch ja nun nicht mehr aufhaltet.«
    »Und warum setzt Ihr mich erst jetzt davon in Kenntnis? Liegen Euch irgendwelche Beweise vor, die mir vorenthalten wurden?«
    »Nun ja, konkrete Beweise eigentlich nicht. Ich hatte einen Spitzel an Bord der ›Lusitania‹, der ein paar merkwürdige Beobachtungen gemacht hat, mehr nicht. Es war noch nicht genug, um Euch damit zu behelligen.«
    Miguel runzelte die Brauen. Er überlegte, ob er den Spieß nicht einfach umdrehen und seinerseits Senhor Furtado mit seinem Verdacht konfrontieren solle. Warum eigentlich nicht? Er hatte schon lange keine Lust mehr, sich ständig zum Sündenbock machen zu lassen.
    »Nach allem, was mir bisher über die Abläufe im Gewürzhandel bekannt ist, wärt Ihr einer der wenigen Männer, die das Wissen, die Fähigkeit und die Möglichkeit hätten, diese Betrügereien auf Kosten unseres Hauses durchzuführen.«
    Senhor Furtado fielen vor Schreck beinahe die Augen aus dem Kopf. Er japste nach Luft und drückte in einer übertrieben melodramatischen Geste beide Hände an die Brust. »Ich bin seit Jahrzehnten für Euren Herrn Vater tätig, und er hatte nie Anlass zur Beschwerde. Dass nun ausgerechnet ich, der ich loyaler nicht sein könnte, eines solchen Vergehens bezichtigt werde, ist un-er-hört! Es ist ein Skandal! Und das von Euch, einem Lump, der unschuldige Dinger verführt und in Schande sitzen lässt, der spielt und trinkt und den Namen des Herrn in den Schmutz zieht! So dankt Ihr es mir, dass ich Euch aus der Klemme befreit habe, in die Ihr auch hier in Goa geraten seid, was ja wohl kaum ein Zufall sein kann? Nein, das ist ja wohl …«
    »Ich danke Euch für diese ehrliche Einschätzung meiner Person, Senhor Furtado.« Damit beugte Miguel sich unter den Tisch, weckte den Hund und nahm ihn an die Leine. »Komm, Panjo.«
    Er stand auf und ging zur Tür. Doch Senhor Furtado wollte anscheinend das letzte Wort behalten. »Ihr habt noch mehr Sünden auf Euch geladen, wenn auch indirekt. Mein
punkah wallah
hat mich bestohlen, nur damit ich ihn hinauswerfe. Er will in Eure Dienste treten, wenn ich mich nicht sehr täusche.«
    »Ach«, sagte Miguel, »und warum musste er Euch bestehlen? Anstatt mich der Anstiftung dazu zu beschuldigen, solltet Ihr einmal über Euer eigenes unchristliches Verhalten nachdenken. Wahrscheinlich hat er um Entlassung gebeten, die ihm nicht gewährt wurde, nicht wahr? Und haltet Ihr es etwa für Nächstenliebe, einen aufgeweckten Jungen tagaus, tagein mit den Zehen wackeln zu lassen? Für mein Verständnis grenzt das an Folter.«
    »Ihr kennt Indien noch nicht gut genug. Bestimmte Dinge sind so, wie sie sind, wie sie es waren und wie sie es immer bleiben werden. Dazu gehört auch die Zugehörigkeit zu bestimmten, ähm, Berufsgruppen.«
    »Ihr meint Kasten – die vor dem portugiesischen Gesetz nicht mehr existieren.«
    »Macht Euch doch nichts vor! Überall auf der Welt herrscht ein Kastensystem, wenngleich unter anderem Namen. Würde in Portugal etwa ein Prinz eine Wäscherin heiraten? Würde ein reicher Kaufmann seine Tochter einem Schuhputzer zur Ehefrau geben?«
    Miguel musste zugeben, dass Senhor Furtado in diesem Punkt recht hatte. Doch in der Angelegenheit mit Crisóstomo konnte er ihm nicht zustimmen. »Nein, aber in Europa hat auch ein armer Junge eine Chance, so gering sie sein mag, sich aus eigener Kraft etwas aufzubauen. Wer klug ist und tüchtig, wer dann noch ein wenig Glück dazu hat, der kann es durchaus zu etwas bringen.«
    »Nun, wenn Ihr es für ›klug und tüchtig‹ haltet, wenn ein
punkah wallah
seinen Herrn bestiehlt – nur zu. Stellt den Burschen ein. Als Nächstes wird er Euch betrügen und hintergehen.«
    »Zumindest passt er gut zu mir, das müsst Ihr doch zugeben, Senhor Furtado.

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