Der indische Fluch
der allen schier das Blut in den Adern gefrieren ließ.
"Sie ist wirklich eine Hexe!" konnte man einen der Männer sagen hören. "Die Flammen hätten sie längst verzehren müssen..."
"Gehen wir!"
"Ja, wer weiß, was diese Teufelin noch auf uns herabbeschwört..."
Die Menge wurde bereits kleiner.
Die Menschen bewegten sich mit Schaudern und angstgeweiteten Augen von dem brennenden Landsitz weg.
Nur einer machte völlig genau die entgegengesetzte Bewegung. Und das war Reverend Morley.
Vorsichtig, fast tastend ging er auf das graue Gemäuer zu.
Einige der Bauern blieben stehen und sahen ihm halb bewundernd, halb ungläubig zu.
"Mein Gott, er fürchtet wirklich weder Tod noch Teufel!"
raunte jemand unter ihnen.
Schauderhafte Schreie gellten aus den Flammen heraus.
Dem Reverend stand der Schweiß auf der Stirn und die Angst kroch ihm einer kalten glitschigen Hand gleich dem Rücken hinauf, ehe er schließlich sein Ziel erreicht hatte.
Den Armreif.
Während die Schreie verstummten und vom Prasseln des Feuers verschluckt wurden, bückte sich Morley. Seine Finger berührten den Armreif mit den eigentümlich funkelnden Rubinen und er hob ihn mit einer entschlossenen Bewegung auf...
Morley sah die seltsamen Symbole, die in den Armreif eingraviert waren.
Magische Symbole! ging es ihm fröstelnd durch den Kopf. Und im selben Moment spürte er eine seltsame Kraft, die dieser Armreif ausstrahlte. Ein Prickeln ging vom ihm aus und fuhr ihm den Arm hinauf. Rasch wurde es derart intensiv, daß Morley vor Schmerz aufschrie.
Ein eigentümliches, grünweißes Leuchten umgab jetzt den Armreif. Es war so grell, daß Reverend Morley die Augen schließen mußte. Ein Raunen ging durch die Menge.
Aber Morley war nicht bereit, den Armreif loszulassen.
Mit verbissenem Gesicht hielt er ihn fest. Ein Artefakt des Bösen! dachte er.
Er würde darauf achten und es bewachen müssen, damit es nicht in falsche Hände geriet...
Die leuchtende Aura, die sich um den Armreif herum gebildet hatte, verblaßte dann mehr und mehr.
Der Schmerz ließ nach und Reverend Morleys Arm fühlte sich beinahe taub an. Er drehte sich herum und und sah Dutzende von Augenpaaren auf sich gerichtet.
Reverend Morley hob den Armreif wie im Triumph empor.
"Das Böse in Pembroke Manor ist besiegt!" verkündete er dann in feierlichem Tonfall. Seine Stimme war jedoch leicht brüchig. Und in den Augen der Männer und Frauen um ihn herum sah er Zweifel und Unglauben.
*
"Irgendwo hier in der Gegend muß dieses Pembroke Manor sein, Linda!" hörte ich Josh sagen, der auf dem Beifahrersitz meines kirschroten 190er Mercedes saß und mit dem spärlichen Licht einer kleinen Taschenlampe eine Landkarte zu studieren versuchte.
Josh gähnte.
Wir waren schon seit vielen Stunden unterwegs in Richtung Edinburgh und hatten uns immer wieder am Steuer abgewechselt.Das letzte Stück war das schwierigste, denn wir suchten ein abgelegenes Landhaus, das derzeit die Residenz der alternden Hollywood-Diva Gillian Carter war. Gillian Carter stammte ursprünglich aus Schottland, hatte dann in Hollywood Karriere gemacht und wollte sich nun in ihrer alten Heimat zur Ruhe setzen.
Dem London City Chronicle, jener Zeitung, für die Josh Cody und ich arbeiteten, hatte Mrs. Carter ein Exklusiv-Interview samt Homestory versprochen. Es war das erste Interview seit Jahren, was der Carter einen gewissen mysterösen Nimbus gegeben hatte.
Es war eine Top-Story und wir konnten es uns als Ehre anrechnen, daß unser etwas grantiger, stets überarbeiteter Chefredakteur Dave T. Farnham nicht irgend einen alten Hasen damit betraut hatte, sondern uns.
Josh Cody, 26 Jahre alt, blond und von seiner äußeren Erscheinung her etwas unkonventionell wirkend, war der Fotograph. Ich war die Reporterin und für den Text zuständig. Wir hatten schon des öfteren zusammengearbeitet und waren zu einem hervorragenden Team geworden.
Josh ließ die Karte sinken.
"Ich hoffe nicht, daß wir uns verfahren haben!" meinte er.
"Ich bin nur deinen Anweisungen gefolgt, Josh!" erwiderte ich.
"So wird man nie Chefredakteurin!" flachste Josh.
"Wieso?"
"Na, wenn du immer alle Verantwortung von dir wegschiebst!"
"Haha, sehr witzig!"
Die Straße führte jetzt durch ein finsteres Waldstück.
Trotz eingeschaltetem Fernlicht hatte ich immer das Gefühl, am Rande des Nichts zu fahren. Der Verlauf der Straße war kaum zu erahnen. Es war kein Mond am wolkenverhangenen Himmel und der Wald wirkte wie eine schwarze Wand.
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