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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Budinger
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Es war nicht mehr weit bis zur Universität. Cotton rollte an den Straßenrand und ließ den Wagen stehen. Kein Taxi in Sicht, daher hielt er Ausschau nach der nächsten U-Bahn-Station. Da erfasste er aus dem Augenwinkel ein Firmenschild. »Ping-Pong-Eis.«
    Er kannte dieses Motiv mit dem Pinguin, der bunte Eiskugeln über eine Tischtennisplatte direkt in den Mund eines blonden Knirpses spielte.
    Cotton hielt abrupt inne und verwarf den bisherigen Plan in Sekundenschnelle. Diese Häufung konnte kein Zufall mehr sein. Während seiner Zeit als Streifenpolizist war er dieser Marke nie zuvor begegnet. Und nun schon zum dritten Male binnen eines Monats. Das erste Mal bei dem missglückten Anschlag im Astoria Park. Ein weiteres Mal hatte er einen Eiswagen dieser Firma am Samstag vor der Privatklinik gesehen. Und die Adresse stimmte mit der Wohnung von Harris überein, die er am Sonntag auf der Krankenstation noch recherchiert hatte.
    Es war ein Wink des Schicksals. Er würde dem Inhaber der Firma direkt auf den Zahn fühlen.
*
    Cotton klingelte. Die Tür öffnete sich, und Dr. Harris blickte Cotton aus verquollenen Augen an. Er hatte wohl eine lange Nacht gehabt.
    »Haben Sie mein Pa…?«, setzte er an. Dann erst realisierte er, dass nicht der Paketbote vor ihm stand. Oder er begriff, wer geläutet hatte. Geschmeidig wechselte der Biologe zu einem unverbindlichen Gesichtsausdruck. »Womit kann ich Ihnen helfen?«
    Cotton stützte sich am Türrahmen ab und fasste sich an die Brust. »Bitte, kann ich ein Glas Wasser bekommen?«
    »Sicher.« Harris winkte ihn herein.
    Als Cotton drei Schritte in den Flur machte, schob Harris die Tür zu und schloss hinter ihnen ab.
    »Mr Cabot, nehme ich an?«
    Cotton erstarrte einen Moment. »Ja.« Die Worte flitzten durch seinen Kopf, und er musste sie mühsam zu einem sinnvollen Satz aneinanderreihen. »Ich konnte es mir nicht nehmen lassen, Ihnen noch ein paar Fragen zu stellen.«
    Weiter hinten im Korridor war eine Tür angelehnt, und Harris deutete darauf. »Gehen wir doch ins Zimmer dort. Sie sehen krank aus und wollen sich bestimmt setzen.«
    Harris sah nicht halb so mitfühlend aus, wie seine Worte weismachen wollten. In Wahrheit wirkte er so zufrieden wie die Made im Speck.
    Das Zimmer enthielt ein Labor. Glänzender Edelstahl, summende Kühlschränke, Mikroskope und etliche Glasbehälter, Messvorrichtungen und Gerätschaften. An der Wand stapelten sich einige leere Großpackungen einer bekannten Speiseeismarke. Was auch immer hier produziert wurde – Eiscreme war es nicht.
    Cotton wäre lieber stehen geblieben, aber seine Beine fühlten sich an wie aus Gummi. Er ließ sich auf einen Hocker nieder. Harris hatte ihn sicher nicht aus Barmherzigkeit eingelassen. Niemand in New York bat Wildfremde ohne triftigen Grund in sein Haus.
    Harris verharrte in einiger Entfernung. »Ich freue mich über Ihr Interesse an meiner Arbeit, Mr Cabot. Darf ich Sie bitten, mir vorläufig Ihr Telefon oder andere technische Geräte auszuhändigen? Nur um sicherzugehen, dass Sie keine Firmengeheimnisse aufnehmen.«
    »Ich habe mein Handy zu Hause vergessen.«
    Harris lachte. Es war kein angenehmes Geräusch. »Ich muss darauf bestehen, Mr Cabot, oder Mitchell, oder wie Sie auch heißen mögen.« Er zog eine Pistole aus der Schublade. »Legen Sie alles auf den Boden.«
    Cotton zog Mrs Chins klobiges Telefon langsam aus der Tasche der Sweatjacke und gehorchte. Je zufriedener Harris war, desto eher würde ihm ein Fehler unterlaufen. »Das ist Schikane der freien Presse.«
    »Schieben Sie es mit dem Fuß herüber.«
    Auch das tat Cotton.
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie nicht für eine Zeitung arbeiten.« Harris bediente die Tasten von Mrs Chins Handy mit einer Hand und durchsuchte die Menüs. »Chinesisch?«, brummte er. »Sie stecken ja voller Überraschungen, Mister. Ah, eine SMS von heute Morgen!«, frohlockte Harris dann, als ginge es um ein Weihnachtsgeschenk. »In Englisch und an eine E-Mail-Adresse namens Waschbä[email protected]. Und darin …« Harris verzog das Gesicht, stellte das Telefon aus und steckte das Handy ein. »Sie haben einen seltsamen Geschmack.«
    Cotton unterdrückte einen erleichterten Seufzer.
    »Was wollen Sie hier?«, fragte Harris.
    »Eigentlich wollte ich Ihren Doktoranden Jeff Zaninski sprechen.« Cottons Mund war staubtrocken. »Aber dann sah ich den netten Pinguin auf dem Firmenschild. Da kann ich Sie auch gleich persönlich fragen. Wieso betreiben Sie diese Firma? Zahlt

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