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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Budinger
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Gewissheit.
    Cotton lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Dr. Harris war am Donnerstag nicht auf dem Laborplan verzeichnet gewesen, aber er hatte seine Sprechstunde in der Belfort-Privatklinik abgehalten. Und zwar genau zu der Zeit, als Cotton von den Ameisen überfallen worden war.
    Cotton schrieb sich schnell die Adresse des Mannes auf, der nicht weit von der Universität in Manhattan wohnte.
    Dann lud er noch rasch den Ordner »Rechnungen Columbia« aufs Smartphone, das inzwischen nur noch als Datenspeicher taugte.
    Schließlich suchte er für alle Fälle die digitale Patientenakte von Mr Ernesto und ging zurück ins Bett, wo er die Fakten sortierte.
    Nach der Lektüre der Patientenakte wurde ihm eines klar: Castelli war raus aus dem Fall. Seine erste Anfrage an die Klinik lag schon über einen Monat zurück. Er stand bereits auf der Warteliste für den nächsten freien Termin. Und der freie Therapieplatz, der ihm zugedacht war, war der vakante Platz von Mrs Kelly gewesen! Also hatte er kein Motiv, jemand anderen aus dem Weg zu räumen.
    Die Bodyguards hatten das Gelände zwar bereits vor Castellis Ankunft beobachtet, sie hatten es allerdings wohl nach Risiken bewertet, was angesichts ihres kriminellen Schützlings nur vernünftig war.
    Also zurück zum Anfang.
    Zuerst war ein verseuchter Bio-Bag eingeschmuggelt worden. In der Klinik hatte die Mitarbeiterin nur ein Päckchen Maden vorbereitet; die Rechnung, die die Klinik ausgestellt hatte, bestätigte dies.
    Zaninski hatte die Maden abgeholt und transportiert. Danach war Dr. Carter mit zwei Beuteln in das Behandlungszimmer gekommen. Irgendwo zwischen Universität und Klinik hatte sich der Bio-Bag verdoppelt.
    Cotton hatte am Mittwoch mit seinen Fragen für Unruhe gesorgt. Am Donnerstag war es dann zu dem Angriff der Ameisen auf ihn gekommen. Da verlor jemand keine Zeit. Aber warum ausgerechnet Cotton? War sein Inkognito vielleicht doch aufgeflogen?
    Er legte sich zurück, um den schmerzenden Nacken zu entlasten.
    Und was, wenn er durch die fortwährenden Unglücksfälle wirklich nur an Paranoia litt?
    Die Menge erdrückte Cotton. Überall verzerrte Gesichter, schreiende Menschen. Er sah nach oben. Im nächtlichen Astoria Park hingen die kahlen Bäume über ihm wie blanke Stahlträger des World Trade Centers, die von der Wucht des Einschlags zerrissen und verdreht waren. Das eiserne Dach des Waldes drohte einzustürzen und ihn zu zerquetschen.
    Sein Puls raste. Vor sich sah Cotton ein riesenhaftes Herz, das im unsichtbaren Takt pochte. Adern bogen sich wie Tentakel aus den Herzkammern. Sie peitschten umher wie Feuerwehrschläuche, in die Wasser einschießt. Das feucht glänzende Organ klopfte schneller und schneller.
    Eine unheimliche Ruhe senkte sich auf ihn, nur unterbrochen vom dumpf dröhnenden Herzschlag und dem Stakkato des eigenen Pulses.
    Cotton versuchte, sich durch die Menschen zu drängen, aber sie rissen an seiner Kleidung, an Armen und Beinen. Bald würde das Herz übertakten und explodieren. Cotton musste es aufhalten! Es würde alle in den Tod reißen!
    Wie auf Kommando wandten sich die Menschen ihm zu. Er kannte diese Leute – Nachbarn von damals und heute. Cotton las den stillen Vorwurf in ihren Gesichtern. Seine Schwester war auch darunter. »Pass auf, Jerry!«, rief sie.
    Doch Cotton zog die Pistole und zielte. Ein Mann neben ihm lachte auf. Als Cotton auf das Herz schoss, schubste er zwei Jugendliche direkt in die Schussbahn.
    Die Pistolenkugel durchlöcherte die zwei und riss ihre Brustkörbe auf. Entsetzt starrte Cotton zu dem Mann, der dafür verantwortlich war.
    Im gleichen Moment sprudelte eine zähe Masse aus dem klopfenden Herzen und hüllte ihn ein. Maden wanden sich aus dem roten Fleischball und trieben im rötlichen Schleim auf Cotton zu. Das Organ glühte auf wie ein Vulkan, blähte sich wie eine verwesende Leiche und zerbarst mit einem letzten, gewaltigen Schlag.
    Mit hämmerndem Puls wachte Cotton auf. Drei Uhr morgens. Er griff nach der Wasserflasche und trank sie halb leer. Sein Hals schmerzte beim Schlucken. Der Traum geisterte ihm noch im Kopf herum. Irgendetwas daran war bedeutsam gewesen. Cotton tastete nach der verschwommenen Erinnerung, aber sie glitt ihm durch die Finger.
    Vielleicht fiel es ihm wieder ein, wenn er sich mit dem beschäftigte, was er vor dem Traum getan hatte.
    Er musste am Donnerstag im Api-Raum betäubt worden sein, auch wenn die Blutprobe das nicht untermauerte. Anders war nicht zu erklären,

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