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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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»Charles' Leiche liegt doch ohnehin schon im … Kühlhaus. Und ich möchte ihn so schnell wie möglich in England haben.«
    Green kratzte sich am Kopf und seufzte kurz. »Na, hoffentlich klappt das alles so, wie du dir das denkst, sonst sind wir nämlich einen Tag umsonst hier.«
    Nach einem kurzen Gruß wandte er sich zum Gehen. Neben der Portiersloge gab es eine Hertz- Vertretung, bei der er einen hellblauen Ford mietete, und nachdem er unter Verwendung einer Kreditkarte, die auf einen Decknamen und eine Londoner Tarnfirma des Secret Service ausgestellt war, alle Formalitäten abgewickelt hatte, konnte er den Wagen in der Hotelgarage in Empfang nehmen und sich in Richtung Polizeistation in Bewegung setzen.
    Wenn ihm der sandfarbene Mercury gegenüber der Hotelausfahrt aufgefallen wäre, der sich im selben Moment von der Bordsteinkante löste, als Green seinen Ford auf die Chapel Street steuerte, hätte der Engländer sicher an andere Dinge gedacht als an blonde Journalistinnen und uneinsehbare Dachterrassen.

Sinarades, Korfu
    D ie grobgepflasterten Straßen zwischen den kleinen weißgetünchten Häusern des Bergdorfs waren so schmal, daß man Mühe gehabt hätte, sie mit einem normalen Auto zu passieren. Aber außer den Müllmännern mit ihren Kleintransportern und einigen neugierigen Touristen während der Sommersaison lenkte hier ohnehin niemand seinen Wagen entlang. Die Durchfahrt wäre auch noch dadurch erschwert worden, daß die Bewohner von Sinarades, vor allem die Männer, ab dem späten Nachmittag vor den Haustüren saßen und die Lage der Welt diskutierten oder Dorfgeschichten erzählten. Zur Zeit beschäftigte sie der Fall der Eleftheria Kostas, die sich von einem jungen Schweden, einem Urlauber, hatte schwängern lassen. Wenn er sie wenigstens geheiratet hätte! So jedoch gab es kaum Hoffnung für Eleftheria, die Hure. Sie würde in Sinarades nicht mehr glücklich werden.
    Ein leises Knattern näherte sich vom Dorfeingang her. Die Gespräche in den engen Gassen verstummten, während die Köpfe der Männer herumfuhren, um die Ursache des Motorengeräusches zu identifizieren.
    Der australische Doktor kam. Er saß auf einem wenig vertrauenerweckenden Mofa und quälte die betagte Maschine über das Kopfsteinpflaster den Berg hinauf.
    Seit etwa einem Jahr wohnte er hier im Dorf und arbeitete in der Stadt, in Kerkyra, im Krankenhaus. Die Leute von Sinarades hatten ihn als Nachbarn akzeptiert, denn er war wie sie: verschlossen und stolz und mit einem traurigen Ausdruck in den Augen. Vor allen Dingen aber hatte er von Anfang an ihre Eigenarten und Traditionen respektiert und sich nie ungebührlich oder unpassend verhalten. Das konnte man von seinen Landsleuten, die als Touristen nach Korfu kamen, weiß Gott nicht immer behaupten. Allerdings stellten sie keine Ausnahme dar. Die Deutschen, Franzosen, Engländer und Italiener waren da keinen Deut besser, eher im Gegenteil.
    »Iassou, Stanis«, rief einer der Männer, als der Australier vorüberfuhr.
    Stan Lundquist lächelte leicht. Sein Vorname klang mit der griechischen Endung immer noch ungewohnt.
    »Iassas«, grüßte er zurück und winkte dabei mit der linken Hand. Sekunden später bog er um die nächste Ecke, während hinter ihm die Gespräche fortgesetzt wurden.
    Vor seinem Haus angelangt, ließ Stan das betagte Mofa einfach vor der Tür stehen. Hier wurde nichts gestohlen; und wenn, dann waren meistens irgendwelche Touristen die Diebe. Im Inneren des weißgetünchten Häuschens mit der lichtblauen Eingangstür herrschte angenehme Kühle. Die Verwendung von Paros-Marmor als Baumaterial für Fußböden und Treppen machte sich im Hochsommer ziemlich bezahlt.
    Der hochgewachsene, dunkelhaarige Australier betrat die Küche und griff sich die Karaffe mit Retsina aus dem Kühlschrank. Nach den ersten Schlucken vom eisgekühlten geharzten Wein fühlte er sich schon bedeutend besser. Er nahm seine Aktentasche und ging hinüber in den Hauptwohnraum, dem eine große, bequeme Hängematte einen besonderen Reiz verlieh. Auf dieser luftigen Ruhestatt pflegte er sich zu entspannen.
    Mit einem zufriedenen Seufzer legte er sich zurück, schloß die Augen und ließ sich einige Minuten im Meer der Gedanken treiben.
    Eine Menge Glück hatte er gehabt vor einem Jahr, als er einfach hier auf Korfu geblieben war. Nach nur einer Woche des Suchens hatte er dieses Haus in Sinarades gefunden und zu einem Spottpreis gekauft, und nach weiteren zwei Wochen hatte er den Job im

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