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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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wie der Boden, in dem sie hausten, auf die Suche nach Nüssen und Samenkörnern.
    »Was ist bloß los mit mir, ihr Horngräber?« rief ihnen Tata Mal zu. »Wie kommt es, dass ich das Böse überall wittere? Ich denke, ihr solltet es den Geistern, die unter der Erde wohnen, mitteilen.«
    Die Horngräber schwiegen, genau, wie er erwartet hatte. Sie beachteten ihn nicht, da sie sich nicht um Menschen kümmerten. Sie beobachteten den Himmel, da sie vor Raubvögeln und Tagseglern auf der Hut waren. Am Boden hielten sie nach Schlangen, Eidechsen und anderen Tieren Ausschau, aber der Mensch war für sie nichts weiter als ein riesiges, ungeschicktes Wesen ohne jede Bedeutung.
    Gedankenversunken spielte Tata Mal mit der Kette aus Knochen, die seinen eingefallenen Brustkorb zierte. Er war alt und wusste, wie selbstsüchtig seine Hoffnung war, das herannahende Böse nicht mehr erleben zu müssen. Sein Haar war bereits schneeweiß, er konnte die Dinge, die nicht von dieser Welt waren, längst nicht mehr so deutlich sehen wie früher, und nun bedauerte er es nicht allzu sehr, das Leben hinter sich zu lassen.
    Hael stellte den Wasserkrug unter dem lang gestreckten, niedrigen Schutzdach in der Mitte des Dorfes ab. Als alle Wasserbehälter verstaut waren, näherte sich ihnen eine Frau mittleren Alters und klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit der jungen Leute zu erregen. Es war Umarra, Larissas Mutter, die erste Hebamme des Dorfes.
    »Wenn die Mittagsstunde vorüber ist, ziehen wir uns drei Tage lang in das Frauenhaus zurück, um uns auf das Kälberfest vorzubereiten. Ihr jungen Männer müsst euch bis zum Ende des Festes fernhalten. Während wir uns von der Außenwelt absondern, mögen die Krieger und die Ältesten selbst für ihre Mahlzeiten sorgen oder aber hungern.«
    Wie es der Brauch verlangte, fuhr sie fort: »Jeder, der die alten Regeln verletzt, wird aufs strengste bestraft. Jetzt entfernt euch und bereitet euch auf viele schlaflose Nächte vor. Die Kaggas werden kalben, ehe der Mond auf die halbe Größe geschrumpft ist.«
    »Keine angenehmen Aussichten«, murmelte Raba, während die Jungen auf das Tor in der Palisade zuschritten. Die Frauen reinigten sich während des Festes, damit sie den weiblichen Kaggas beim Kalben behilflich sein konnten. Den Männern war das strengstens untersagt. Mindestens zwanzig Tage und Nächte würden die Frauen inmitten der Herden weilen, während die Männer Wache hielten, denn die Laute und Gerüche der Geburten lockten zahlreiche Raubtiere an. Die unheimlichen Schreie der lauernden Jäger würden die Nächte durchdringen.
    »Aber man kann Ruhm und Ehre erringen«, warf Luo ein. »Vielleicht erlegst du eine Raubkatze oder sogar einen Langhals, während dich das ganze Dorf dabei beobachtet. Dann darfst du dich für den Rest deines Lebens mit dem erbeuteten Fell schmücken.«
    Hael schlug ihm auf die Schulter. »Wie oft geschieht das schon? Im vergangenen Jahr tötete die Speerspitzenbruderschaft eine Schreckenskatze, die sich zur Zeit des Kalbens aus dem Dschungel heranpirschte. Es flogen ihr so viele Speere gleichzeitig entgegen, dass jetzt alle Mitglieder der Bruderschaft einen Streifen Fell als Armband tragen.«
    »Hael sieht mal wieder schwarz«, erklärte Raba, riss die Arme in die Höhe und schien den Himmel um Beistand anzuflehen. »Er gönnt einem nicht den kleinsten Traum und erstickt das Feuer des Ruhmes, indem er hineinpinkelt.«
    »Bei dir handelt es sich um kein Feuer«, sagte Hael grinsend, »das sind bloß schwach glühende Kohlen.«
    Als sie das Dorf verließen, rief Tata Mal: »Hael, setz dich ein wenig zu mir!« Der Junge machte kehrt, und die anderen eilten davon. Kampo, der sie anführte, stimmte ein Kriegslied an, und halblaut singend entfernte sich die Gruppe. Hael hockte sich neben den alten Mann, den Speer in den ausgestreckten Händen haltend. Ehrerbietig wartete er, bis der Geisterbeschwörer zu sprechen begann.
    »Das Kriegerleben gefällt dir, was, Hael?«
    »Natürlich. Sehr sogar«, antwortete der Junge.
    »Da dir das Schicksal die Kunst des Geisterbeschwörens nicht zuteil werden ließ, bin ich sehr froh zu hören, dass du mit deinem Leben dennoch zufrieden bist. Anscheinend verstehst du dich mit deinen Gefährten sehr gut.«
    »Ja, mit den meisten schon«, erklärte Hael vorsichtig.
    »Aber nicht mit Gasam, stimmt’s?«
    »Nun ja, das ist schließlich nichts Neues. Ehrlich gesagt, er hat sich nie freundlicher benommen als jetzt, da ihn die Regeln der

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