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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Bruderschaft zügeln.« Hael sprach nicht gern über Gasam – als könne er durch sein Schweigen die raue Wirklichkeit vergessen machen.
    »Gasam ist ebenso neu in der Kriegergruppe wie du.
    Schon bald wird er sich sicherer und freier fühlen. Dann hüte dich vor ihm! Es stimmt nicht, dass alle jungen Krieger gleich sind. Vielleicht wird er andere gegen dich aufhetzen, ohne dass sie selbst es merken. Er kann dich hier im Dorf in Verruf bringen, während du im Lager lebst.«
    Hael sah den alten Mann an. »Aber warum?« fragte er ernsthaft. »Wir haben einander nie gemocht, aber ich habe ihn auch nie bedroht. Wenn er die Jahre als Krieger überlebt, wird er ein hochangesehenes Mitglied des Ältestenrates werden, zahlreiche Frauen und große Kaggaherden haben. Wenn ich Glück habe, bekomme ich eine einzige Frau und eine geringe Anzahl von Tieren. Warum also will er mich demütigen?«
    »Er weiß, genau wie ich, dass du ein Auserwählter bist. Natürlich passt ihm das nicht. Du verfügst über Fähigkeiten, die dich aus der Masse hervorheben. Obwohl du jünger bist als die meisten deiner Gefährten, besitzt du die Ernsthaftigkeit und Weisheit eines Ältesten. Noch lachen sie dich deswegen aus, aber schon bald werden sie dich achten, dich immer wieder um Rat bitten und dich irgendwann zum Anführer wählen. Das kann Gasam nicht ertragen.«
    Hael beobachtete die Wolken, die am Himmel vorüberschwebten. In der Ferne weidete eine Herde Gabelhörner. Sie wirkten gelassen und träge, waren jedoch immer auf der Hut. Bei der geringsten Annäherung eines Raubtieres würden sie auf ihren schlanken Läufen in großen Sprüngen davoneilen.
    »Ich kann mich ihm nicht entgegenstellen. Die Gesetze der Bruderschaft verbieten jeglichen Zwist. Wenn wir zu den älteren Kriegern zählen, kann ich ihn zum Kampf im Dornenkreis fordern, aber bis dahin vergehen noch viele Jahre.«
    »Stimmt. Hüte dich vor ihm. Sei wachsam und zögere nicht, mich um Rat zu fragen.«
    »Ich danke dir, Geisterbeschwörer.«
    »Ich tue nur meine Pflicht. Jetzt erteile ich dir noch einen Rat, der dir überhaupt nicht gefallen wird. Es ist gut für die jungen Krieger, mit den Mädchen zu scherzen und ihnen schöne Augen zu machen. Es gibt kaum eine angenehmere Beschäftigung. Aber bitte verliere dein Herz nicht an eine bestimmte Frau, und schon gar nicht an Larissa.«
    Hael spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. »Warum nicht? Wir kennen uns seit Kindertagen. Sie ist das einzige Mädchen, das nie auf mich herabsah, weil ich ohne Familie bin.«
    »Sie war ein einsames Kind. Jetzt ist sie eine schöne und begehrte junge Frau. Wenn ich mich nicht irre …« Der Alte kratzte sich nachdenklich am Kinn, »… dann beginnt beim nächsten Neumond dein sechzehntes Lebensjahr, nicht wahr?«
    »Das stimmt.«
    »Sie ist ungefähr gleichaltrig und somit heiratsfähig. Du aber kannst erst nach der Aufnahme in die nächste Bruderschaft heiraten, und das wird frühestens in sieben, vielleicht sogar erst in zehn Jahren geschehen. Glaubst du, sie wird so lange warten?«
    »Nein«, antwortete Hael traurig. Bisher hatte er immer vermeiden können, darüber nachzudenken.
    »Hael, ich will dir etwas erzählen, was jeder Mann früher oder später lernen muss, auch wenn er während der sorglosen Jugendzeit nicht darüber nachdenkt. Warum bestehen unsere Bräuche? Wieso leben die jungen Burschen abseits vom Dorf in Lagern? Warum ist es ihnen nicht gestattet, Land zu besitzen und zu heiraten, ehe sie ein bestimmtes Alter erreicht haben?«
    »Nun«, meinte Hael nachdenklich, »weil jemand die Kaggas hüten, auf Raubzüge gehen und das Dorf vor Feinden schützen muss.«
    »Bei anderen Stämmen geschieht das auch, obwohl sie keine Kriegerbruderschaften haben. Im nächsten oder übernächsten Jahr wird Larissa einen der älteren Krieger oder einen der Ältesten heiraten, weil unsere Bräuche es so bestimmen. Alle jungen Mädchen heiraten ältere Männer. Sie haben mehr Kaggas, mehr Besitz und können größere Brautgeschenke machen. Was geschieht, wenn ihr jungen Kerle Kaggas erbeutet?«
    »Wir halten ein Festmahl ab«, antwortete der Junge und begriff, worauf der alte Mann hinauswollte. Gewöhnlich dachte niemand über Bräuche nach, da sie einfach zum Leben des Stammes gehörten und nie in Frage gestellt wurden.
    »Genau. Ihr schlachtet ein paar Tiere und gebt ein Fest für das ganze Dorf. Das Blut der Kaggas wird den Geistern als Dankopfer dargebracht. Dann erhalten eure Väter

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