Der Insulaner
sah Deena an und bemerkte, dass sie kreidebleich geworden war; ihre Unterlippe zitterte verdächtig.
Dann lief die Frau los, zerrte das Mädchen aus dem Sattel, beide umarmten sich und es hörte sich an, als lachten und weinten sie gleichzeitig. Der Mann hielt sich zurück, aber auch er konnte vor Rührung kaum sprechen. Er versuchte, die Tränen zurückzuhalten und ergriff Haels Hand.
»Du hast unsere Tochter zurückgebracht, als wir schon glaubten, sie für immer verloren zu haben«, sagte er. »Alles, was ich besitze, ist dein. Was auch immer du begehrst, ich werde es dir mit Freuden geben.«
Die übrigen Männer sahen staunend zu. Die meisten waren noch jung, und ihre Mienen verrieten gleichzeitig Freude und Enttäuschung. Frühere Bewunderer Deenas, dachte Hael, die sich über ihre Rückkehr freuen, mich aber verwünschen. Wahrscheinlich bringt das Ärger mit sich, aber im Augenblick habe ich andere Sorgen.
Hael dankte dem Führer, der sich auf den Heimweg machte, während alle anderen in Richtung Breitblatt schritten. Hael und Deena gingen zu Fuß, und die Cabos folgten ihnen gemächlich, was bei den jungen Männern aufgeregtes Raunen hervorrief. Nach einer tränenreichen Umarmung seiner Tochter sonderten sich Afram und Hael ein wenig von der Gruppe ab, um unter vier Augen miteinander zu sprechen. Die übrigen Matwa folgten ihnen in respektvollem Abstand.
»Wir werden unser Dorf am späten Abend erreichen«, erklärte Afram. Er wandte sich um und sprach mit einem der jungen Burschen, der sich in schnellem Lauf entfernte. »Er gehört zu unseren besten Läufern. Er wird den Dorfbewohnern verkünden, dass meine Tochter wahrhaftig zurückgekehrt ist, und sie die letzten Vorbereitungen für ein Festmahl treffen können. Es wird das größte Festessen werden, das du je erlebt hast. Ich besitze Weinkrüge, die ich bis zu ihrer Hochzeit aufsparen wollte. Die werden jetzt angebrochen. Bier gibt es auch! Ein großes Fass Bier.« Er lachte und schnupfte ein wenig. Immer noch standen Tränen in seinen Augen.
»Ich bin sehr glücklich, dass ihr euch so über ihre Heimkehr freut. Sie hatte große Angst, ihr würdet sie zurückweisen.«
Afram schnaubte verächtlich. »Frauen denken oft närrisches Zeug! Als ob sie uns weniger kostbar wäre, weil sie in den Klauen dieser Tiere gelitten hat.« Er beugte sich vor und flüsterte Hael ins Ohr: »Sie haben ihr doch kein Kind gemacht, oder?«
»Nein, das haben sie nicht«, versicherte Hael ernst.
»Gut, gut. Dann ist es nicht so schlimm. Ich werde jeden mit eigenen Händen töten, der behauptet, sie sei jetzt weniger wert als früher. Ihre Mutter wird die Frauen im Zaum halten. Das schafft sie mit Leichtigkeit.«
»Die Männer, die euch begleiteten«, fragte Hael, »sind das ihre Bewunderer? Ich möchte nicht, dass es zwischen mir und deinem Volk böses Blut gibt.«
Afram warf einen Blick über die Schulter. »Jene? Ja, alle haben um sie geworben. Aber kein einziger machte sich an die Verfolgung der Amsi, die sie raubten. Du hast sie uns zurückgebracht. An deiner Stelle würde ich keinen Gedanken an sie verschwenden.«
»Gut, du musst es wissen.« Erleichtert wandte sich Hael einer anderen Sache zu. »Ich möchte mit euren Bögen umgehen lernen.« Er deutete auf den Bogen, der zusammen mit einem Köcher voller Pfeile über Aframs Rücken hing.
»Du wirst den besten Bogen der ganzen Hügel bekommen. Ich selbst werde dich das Schießen lehren. Um ihn meisterhaft zu beherrschen, sollte man von Kindesbeinen an damit üben, aber du wirst es schon bald lernen.«
»Ich danke dir. Außerdem bitte ich dich, eine Versammlung aller Matwahäuptlinge einzuberufen. Würdest du das tun?«
Afram blieb plötzlich stehen und starrte Hael an. Auch die hinter ihnen gehenden Menschen standen still. »Einfach so? Eine Häuptlingsversammlung?«
»Ja«, bestätigte Hael. »Ich habe euch allen etwas zu sagen, und mir bleibt nur wenig Zeit. Es geht um das Überleben eures Volkes. Ich habe bereits bewiesen, dass ich außergewöhnliche Dinge tun kann.«
»Das kann ein Höhlensegler auch«, erwiderte Afram und ging weiter. »Er fliegt bei Nacht, und das ist sehr schwierig. Du musst mir schon mehr berichten. Meine eigene Dankbarkeit erstreckt sich nicht auch auf meine Brüder.«
In den nächsten beiden Stunden erzählte Hael von seinen Reisen und Abenteuern, von dem Gefühl, einer Bestimmung entgegenzugehen und von allem, was er in Neva, bei der Karawane und bei den Amsi gelernt hatte.
»Du
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