Der Insulaner
wurde, betraten die Matwamänner das Haus und hängten ihre Bögen, die Köcher mit den Pfeilen und ihre Jagdtaschen an Haken an den Wänden auf. Viele legten die schlichten Hosen und Hemden ab und ersetzten sie durch farbenfrohe Kleidung. Manche warfen den Fremden neugierige Blicke zu, aber niemand starrte sie unverhohlen an. Hael wunderte sich, wie leise die Matwa miteinander sprachen. Bisher hatte er noch keine erhobene Stimme vernommen. Schon bald drängten sich Männer, Frauen und Kinder im Haus, die die Enge jedoch als ganz normal zu empfinden schienen. Die Matwa waren tagsüber überall in den Feldern und Wäldern verstreut, und verbrachten die Nächte so dicht wie möglich beieinander. Von all ihren Sitten und Gebräuchen war dies der einzige, der Hael wahrhaft unangenehm war.
Zuletzt trat ein Mann mittleren Alters ein, der im Gegensatz zu seinen Stammesbrüdern einen Vollbart trug. Vielleicht sollte das als Ersatz für den kahlen Kopf dienen, auf dem kein einziges Haar spross. Nur über jedem Ohr wölbte sich ein dürftig behaarter Halbmond. Er nickte Hael und Deena zu, und alle Matwa ließen sich zum Essen nieder. Der Häuptling und ein paar ältere Männer setzten sich an den langen Tisch, während sich die übrigen Leute mit gekreuzten Beinen auf den Boden hockten. Kinder krabbelten überall umher, und Teller mit Fleisch gingen von Hand zu Hand. Während des Essens wurde wenig gesprochen. Der Häuptling bestand darauf, dass sich Deena und Hael mit an den Tisch setzten, obwohl die beiden nicht in der Lage waren, erneut einer reichhaltigen Mahlzeit zuzusprechen.
Als alle satt waren, klopfte der Häuptling mit den Fingerknöcheln auf den Tisch, und sofort trugen die Frauen sämtliche Teller, Schüsseln und Becher aus dem Raum. Der Matwa wandte sich an Hael:
»Ich heiße euch bei uns willkommen. Mein Name ist Venaman, Dorfältester von Blauholz. Ihr zwei habt sicher eine seltsame Geschichte zu erzählen. Ich will euch nicht bedrängen, aber wir alle sind begierig, sie zu hören.«
»Lass mich zuerst sprechen«, sagte Deena. Mit wenigen Worten berichtete sie von ihrer Gefangennahme und Leidenszeit. Sie erzählte keine Einzelheiten der Qualen, die sie erlitten hatte, ließ aber keinen Zweifel an den Schrecken der Gefangenschaft aufkommen. Sie endete mit der Schilderung ihrer Flucht vor Impaba und dem Weg in die Berge. Als sie schwieg, starrten die Dorfbewohner sie seltsam an, als seien sie nicht schlüssig, wie man eine Frau, die der Sklaverei entkommen ist, behandeln solle.
Hael gab eine stark verkürzte Schilderung seiner Abenteuer zum Besten, versprach aber, irgendwann einmal ausführlicher zu berichten. Die Zuhörer wollten mehr über sein Leben als Krieger auf Gale erfahren. Sie hatten schon von Ozeanen gehört, wenn die Händler über die Südsee sprachen, und der Gedanke, dass ganze Völker auf einem von Wasser umgebenen Berg lebten, fesselte sie ungemein. Das erschien ihnen genauso eigenartig wie ein Dorf, das in den Wolken erbaut wurde, und Hael wurde bewusst, dass auch seine genauesten Beschreibungen ihnen nicht erklären konnten, wie es auf der Insel aussah.
Ehe die Feuer für die Nacht gelöscht wurden, versprach ihnen Venaman einen Führer, der sie zu Deenas Dorf geleiten sollte. »Man wird euch erwarten«, sagte er. »Sobald ich von eurer Ankunft hörte, schickte ich einen Boten nach Breitblatt.«
Am folgenden Morgen brachen sie in Richtung Osten auf. Der Weg durch die Hügellandschaft erwies sich als weniger beschwerlich als im Gebirge, aber hier mussten sie unzählige Bäche und Flüsse durchqueren, und man konnte nicht weit voraus schauen. Ihr Führer versorgte sie mit frischem Fleisch. Mit stumpfen Pfeilen fegte er Vögel von den Bäumen, ohne den Körper zu durchbohren, und während sie dem schmalen Pfad folgten, rupfte er ihnen die Federn aus.
Zwei Nächte lagerten sie unter den weit überhängenden Ästen riesiger Bäume, und das Licht ihres Lagerfeuers spiegelte sich auf der Unterseite der glänzenden Blätter. Venaman hatte ihnen erzählt, dass sie Breitblatt in drei Tagen erreichen würden, aber es dauerte nicht ganz so lange, bis sie auf die ersten Matwa stießen. Am Morgen des dritten Tages kam ihnen eine Gruppe Menschen auf dem Pfad entgegen, die von einem Mann und einer Frau mittleren Alters angeführt wurde. Sie waren deutlich besser gekleidet als die übrigen Matwa. Bei ihrem Anblick stieß Deena einen tiefen Seufzer aus. Hael wusste, um wen es sich handeln musste. Er
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