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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Haels Kunstfertigkeit vor. Inzwischen vermochten auch ein paar Jugendliche vom gerittenen Cabo aus zu schießen. Hael hatte ihnen nicht erzählt, dass es sich bei Trittsicher um ein recht sanftes älteres Tier handelte. Jetzt war es wichtiger, sie an den Gedanken des Reitens zu gewöhnen, eine Fortbewegungsart, die sie mit den verhaßten Amsi verbanden. Keiner seiner Schüler verfügte über Haels fast schon übersinnliche Gabe, eins mit dem Tier zu werden, aber beinahe jeder Junge, der es versuchte, entwickelte eine Leidenschaft für das Reiten und sehnte sich danach, ein Cabo sein eigen zu nennen. Der Gedanke, aus Bequemlichkeitsgründen kürzere Bögen zu benutzen, störte sie überhaupt nicht.
    Bei den Häuptlingen verhielt es sich anders. All das kam ihnen ausgesprochen eigenartig vor. Sie stimmten überein, dass Haels Befreiung einer Matwafrau eine ruhmreiche Tat war, aber sie fanden, dass Afram seine Dankbarkeit übertrieb, indem er dem jungen Mann diese Häuptlingsversammlung ermöglichte. Trotz eigener Zweifel bewirtete Afram die Gäste mit köstlichen Speisen, Bier und Wein und drängte sie, den Jungen wenigstens anzuhören. Als die letzten Häuptlinge eingetroffen waren, ergriff Hael das Wort, nachdem er noch einmal vorgeführt hatte, wie man vom Rücken eines Cabos aus mit Pfeil und Bogen schießen konnte.
    »Habe ich dich recht verstanden?« fragte ein graubärtiger Mann aus dem Dorf Immergrün. »Du schlägst uns vor, uns mit den Amsi zu verbünden, Cabos zu kaufen, den Umgang mit ihnen zu erlernen und den Amsi als Gegenleistung das Bogenschießen beizubringen?«
    »Genau«, bestätigte Hael. Als das aufgebrachte Stimmengemurmel versiegte, fuhr er fort: »Wenn diese Feindseligkeiten weitergehen, bedeuten sie das Ende beider Völker.«
    »Wieso?« wollte ein anderer Häuptling wissen. »Wir bekämpfen einander seit Generationen, und beide Völker sind stark und kriegerisch. Warum sollten wir ihnen den Umgang mit Pfeil und Bogen beibringen, obwohl er doch unser bester Schutz vor ihnen ist? Und weshalb sollten sie uns das Reiten und Zähmen der Cabos lehren, wenn sie durch die Tiere die Herrschaft über die Steppe besitzen?« Zustimmendes Raunen bekräftigte seine Fragen.
    »Weil sich die Welt verändert«, sagte Hael. »Ich weiß es, weil ich nicht nur ein Krieger bin, sondern auch ein Seher. Ich kam mit einer Handelskarawane hierher. Es war eine friedliche Expedition, aber irgendwann werden Soldaten nachfolgen. Diese Nationen mit ihren Königen streiten sich dauernd um Land und der Ehre wegen. Der König von Neva will das omianische Reich erobern. Dann grenzt sein Land an das große Gebirge. Wenn seine Macht über Omia gefestigt ist, weiß er bestens über das Gebiet östlich der Berge Bescheid; über die guten Weidegründe, die Caboherden der Steppe, die Pelze und Mineralien der Hügel. Außerdem wird er erfahren, dass die Bewohner dieses Landes untereinander verfeindet sind und die Stämme sich fortwährend bekämpfen.
    Aber das ist noch nicht alles: Ihr seid daran gewöhnt, mit den Königreichen des Südens Handel zu treiben. Schon bald werden die fremden Karawanen mit euch wetteifern. Dann kommen Soldaten. Der Westen und der Süden werden sich wahrscheinlich nicht gegen euch stellen, sondern euch und die Amsi anheuern, damit ihr für sie kämpft. Das Ergebnis wird das gleiche sein. Die Menschen dieses Landes werden zwischen den Mühlsteinen der Königreiche zu Staub zermahlen. Ihr müsst euch vereinen und in der Lage sein, gegen sie zu kämpfen. Sie haben euch nichts entgegenzusetzen, wenn ihr auf mich hört. Draußen in der Steppe, weit entfernt von ihren Festungen und Städten, sind sie einer Armee von bogenschießenden Caboreitern hilflos ausgeliefert.«
    Es brach ein Tumult aus. Die Häuptlinge stritten mit Hael und redeten eifrig aufeinander ein. Jene, die ihren Stolz nicht überwinden konnten, weigerten sich zu glauben, dass die Geschicklichkeit und Treffsicherheit ihrer Bogenschützen sie nicht vor allen Bedrohungen bewahren könne. Andere, die wenig Phantasie besaßen, vermochten sich die Gefahr nicht vorzustellen, die aus so weiter Ferne kommen sollte. Aber es gab auch eine Gruppe Männer, deren Einspruch weniger überzeugt klang und die sich Gedanken über Haels Worte zu machen schienen.
    Als sich die Versammlung auflöste und man sich Wein und Bier zuwandte, nahmen ein paar Häuptlinge Hael beiseite. Ihr Sprecher war der jüngste Teilnehmer der Versammlung. Er trug Hosen aus Leder und eine

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