Der Insulaner
Geistersprecher, die nicht zu krank oder zu alt waren, die lange Reise auf sich zu nehmen.«
»Wunderbar!« rief Hael erfreut. »Wo steckt Impaba?«
»Der ist auf der Jagd. Er verkündet immer noch lauthals, dass er dein treuer Gefolgsmann ist.«
»Ich glaube ihm, bis er mir das Gegenteil beweist«, murmelte Hael.
Die Leute liefen ihnen neugierig entgegen. Die meisten Amsi hatten den sagenumwobenen Geistermann noch nicht gesehen, und Hael begriff, dass Naraya gute Vorarbeit geleistet hatte. Die neugierigen Blicke wurden von Jubelrufen begleitet. Zum ersten Mal sah der Junge Amsifrauen und ihre Kinder. Erstere trugen lange Kleider aus bunten Stoffen, letztere Hosen aus Leder oder Stoff. Alle starrten ihn voller Bewunderung an.
Zu Haels größter Verwunderung drängten sich die Menschen um ihn, als er ins Lager einritt. Anfangs beunruhigte das die Matwa, aber sie bemerkten schon bald, dass man ihnen so gut wie keine Aufmerksamkeit schenkte. Der Jubel wandelte sich zu dumpfem Gesang. Zuerst glaubte Hael, es handele sich um einen bedeutungslosen, zweisilbigen Ruf, erkannte aber nach einiger Zeit, dass sie seinen Namen ununterbrochen wiederholten. »Hael! Hael! Hael!«
Die Matwa griffen den Ruf auf und stimmten ein. Im Takt schüttelten sie dazu die erhobenen Fäuste. Die Amsi, denen die Geste gefiel, ahmten sie nach, bis der Singsang das ganze Lager erfüllte. Wohin Hael auch blickte, überall sah er zum Himmel gereckte Fäuste. Seine Aufgabe würde sich doch nicht so schwierig gestalten, wie er befürchtet hatte, dachte er.
In den folgenden Tagen wurde eine stürmische Versammlung nach der anderen abgehalten, immer wieder unterbrochen von wütenden Rufen und Drohungen, dem Lager den Rücken zu kehren. Den Amsihäuptlingen gefiel die Behauptung, ihre kriegerischen Fähigkeiten seien nicht ausreichend, eine zukünftige Bedrohung abzuwehren, ebenso wenig wie den Matwa. Manche weigerten sich zu glauben, dass überhaupt eine Gefahr drohe. Aber so laut sie auch brüllten, ihr Volk übertönte sie, wenn es dem neuen Helden Hael, dem Geistermann, zujubelte. Die Häuptlinge waren keine Könige, die absolute Macht über ihre Gefolgsleute ausübten. Sie waren Sprecher, Ratgeber und Anführer, und sie waren zu klug, sich dem Willen der geballten Masse entgegenzustellen.
Nach und nach und sehr zögerlich stimmte einer nach dem anderen Haels Vorschlägen zu. Die Geistersprecher waren einstimmig dafür, den Fremdling als allgemeinen Anführer anzunehmen und drängten die Häuptlinge, es ihnen gleichzutun. Hael versicherte ihnen, er sei nicht daran interessiert, sie aus ihren Stellungen zu verdrängen oder sie zu entmachten. Die Männer aus dem Süden, die allein gekommen waren und nicht von ihren Angehörigen unter Druck gesetzt wurden, wehrten sich am ausdauerndsten und stimmten zum Schluss nur zu, um Haels Reformen nicht zu blockieren. Damit musste sich der Junge zufrieden geben. Er hatte auch nicht angenommen, alles auf einmal zu erreichen. Er wusste, dass die Stämme des Südens sich anschließen würden, wenn sie bei den Amsi aus dem Norden erlebten, welche Vorteile die neue Lebensweise mit sich brachte. Es konnte einige Jahre dauern, aber Hael war bereit, so lange zu warten.
Zum Schluss, als er alles erreicht hatte, was nur möglich war, hockte Hael vor dem Zelt, das man ihm gegeben hatte und beobachtete die Amsikrieger, die friedlich mit den Matwa speisten, als seien sie seit Generationen die besten Freunde. Er war sich bewusst, dass es nicht immer so einfach sein würde. Jahrhundertelange Feindseligkeiten ließen sich nicht innerhalb einiger Tage beseitigen, und es bestand in der Zukunft immer wieder die Gefahr eines Zwistes, aber wenigstens war ein Anfang gemacht. Seine diplomatischen Fähigkeiten würde er bis zur äußersten Grenze strecken müssen, um den Frieden zu wahren. Sie würden in absehbarer Zeit mächtigere Feinde haben als die bisherigen. Er wandte sich an Naraya, der neben ihm saß.
»Naraya, ich glaube, der euch Verheißene zu sein. Aber kaum einer der Amsi hat mich zu Gesicht bekommen, ehe ich in die Hügel zog. Trotzdem liefen sie mir bei meiner Rückkehr entgegen und jubelten mir zu, als sei ich euer oberster Häuptling, noch ehe ich Gelegenheit hatte, mit den anderen Häuptlingen zu sprechen. Das war dein Werk, nicht wahr?«
Das furchteinflößende Reptil auf dem Kopf des Geistersprechers bewegte sich auf und ab. »Stimmt. Ich bereitete dir den Weg so gründlich, dass sie auch gejubelt
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