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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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trinken. Am folgenden Morgen kam Rays Frau Susan, packte ihr einen Koffer und nahm sie mit nach London, wo sie und Ray am Piccadilly eine Wohnung hatten.  
    Freddie hatte Susan immer ziemlich seicht und oberflächlich gefunden. Als sie jetzt sah, mit wie viel Takt und Güte Susan ihr entgegenkam, schämte sie sich ihres vorschnellen Urteils. Ray war in Frankreich, und Susan, die viel bei der BBC zu tun hatte, hatte Tessa nie gekannt, was ihr, dachte Freddie, diese weißt-du-noch Gespräche ersparte, die sie jetzt nicht hätte ertragen können. So viele Leute bildeten sich ein, Tessa gekannt zu haben. So viele schienen zu glauben, sie hätte ihnen gehört, und wollten ihren eigenen Schmerz, ihre eigenen Erinnerungen jetzt mit Freddie teilen. Susan fragte, ob sie über ihre Schwester reden wolle, und Freddie sagte, nein danke, das wolle sie nicht, und danach ging es bei ihren Gesprächen miteinander entweder um den Rundfunk oder Susans Familie und Liebhabereien.  
    Tagsüber, wenn Susan im Rundfunk war, ging Freddie aus. Sie nahm sich nie etwas vor, sie streifte einfach nur herum. Sie fühlte sich im Einklang mit der Stimmung kraftloser Ermattung, die sich über London ausgebreitet hatte. Mit dem Einsatz der V1- und V2-Raketenbomben durch die Deutschen war der Schrecken des Blitz wiedergekehrt, nur dass jetzt, vier Jahre später, die Menschen kaum noch Reserven hatten. Sie überlegte manchmal, was sie tun würde, wenn eine Bombe über ihren Kopf flöge, ob sie einen Schutzraum aufsuchen würde oder nicht.  
    Sie erfuhr es nie.  
    »Telefon«, sagte Susan. »Es ist für dich.«  
    Freddie nahm den Hörer.  
    »Freddie?«, fragte jemand.  
    »Lewis? Bist du das?«  
    »Ich habe dich überall gesucht. Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, um dich zu finden.«  
    »Ich habe dir mehrmals geschrieben – tut mir leid.«  
    »Ich bin nicht böse. Ich habe mir nur Sorgen gemacht.«  
    »Die Verbindung ist gut«, sagte sie sprunghaft. »Bist du in Liverpool?«  
    »Ich bin in London. Ich bin sofort hergefahren. Ich wohne bei Marcelle. Komm, zieh dir ein nettes Kleid an und spring in ein Taxi, dann können wir zusammen essen.«  
    »Ich bin nicht hungrig.« Sie hörte, wie brüsk das klang, und fügte hinzu: »Entschuldige Lewis, aber ich habe wirklich keinen Hunger.«  
    »Aber ich. Ich habe für acht einen Tisch im Quaglino’s bestellt. Komm, setz dich in ein Taxi, und wir treffen uns dort.«  
    Im Quaglino’s führte der Ober Freddie zu einem Tisch in der Ecke. Lewis stand auf und küsste sie. »Freddie«, sagte er und hielt sie ganz fest. »Das mit deiner Schwester tut mir so leid.«  
    »Danke«, sagte sie automatisch und setzte sich.  
    Nachdem der Kellner ihre Bestellung entgegengenommen hatte, sagte Lewis: »Das muss alles entsetzlich für dich sein. Marcelle hat mir erzählt, dass es dir nicht gut geht.«  
    »Marcelle?« Vage überrascht sah sie ihn an.  
    »Neuigkeiten sprechen sich herum.«  
    »Ich bin nicht krank, nur müde. Ich weiß nicht, warum es so ein Schock war, wo ich doch jahrelang um Tessa Angst hatte, aber es war einer.«  
    »Das ist doch ganz natürlich«, sagte er liebevoll. »Du hast so lange gewartet. Du warst so treu.«  
    »Als ich jünger war –«, sie zeichnete mit der Fingerspitze ein Muster auf die Tischdecke, »nachdem Angelo gestorben war, wollte ich unbedingt herausbekommen, wer der Vater war. Ich habe ihm die Schuld an allem gegeben, was Tessa durchmachen musste.«  
    »Und hast du es herausbekommen?«  
    »Nein. Wenn ich jetzt zurückschaue, frage ich mich, was ich mir dabei gedacht habe. Als hätte das irgendetwas geändert. Als hätte ich irgendetwas ändern können. Tessa hat immer getan, was sie wollte. Sie hat nie auf andere gehört.«  
    Er nahm ihre Hand. »Ich möchte dir helfen, Freddie.«  
    »Das kannst du nicht.«  
    Der Kellner brachte ihre Suppe. Als er wieder gegangen war, sagte sie beinahe zornig: »Wie sollst du mir helfen können? Du kannst Tessa nicht zurückbringen.«  
    »Das weiß ich doch. Darum geht es doch auch gar nicht.« Sie erkannte wieder die Verletzlichkeit in seinem Blick. Sie wollte sie nicht sehen, weil sie ihr vielleicht wehtun würde, und ihr war schon genug wehgetan worden.  
    »Ich wollte dir nur sagen, dass du dich nicht allein zu fühlen brauchst, Freddie. Lass mich für dich sorgen.«  
    »Ich brauche niemanden, der für mich sorgt.«  
    »Nein, natürlich nicht.«  
    Sie schwiegen beide. Sie bedauerte ihre

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