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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Bald stimmten alle ein, sogar Faustina, die immer falsch sang, bis plötzlich donnernd ein Flugzeug aus dem Himmel zu stürzen schien. Sie rannten zu einem flachen Graben und warfen sich hinein. Maschinengewehrkugeln zerfetzten die Erde. Steine drückten sich in Tessas Knie, und ihr Mund war voll Staub.  
    Die Maschine stieg wieder in die Höhe und war gleich darauf verschwunden. Sie kletterten aus dem Graben und gingen weiter, jetzt schweigend. Bald danach verengte sich der Weg und führte in einen Tannenwald. Sie hielten an, um zu beraten. Mit dem Kinderwagen würden sie nicht durch die Bäume kommen. Emilia bot an, mit dem Wagen auf einem der unteren Wege zu bleiben. Perlita solle mit Tessa oben laufen, wo es weniger gefährlich war. Olivia entschied sich, Emilia zu begleiten. Die Hügelpfade waren zu steil für sie.  
    Einen Moment sprachen Olivia und Faustina leise miteinander. Dann umarmten sie sich, und Olivia folgte Emilia und dem Kinderwagen den Hang hinunter. Sie hielt sich am Griff des Wagens fest. Faustina hatte Tränen in den Augen. Sie nahm das kleinste Kind auf den Arm und trat in den Wald. Die Mädchen gingen Hand in Hand, die Jungen spielten mit den Tannenzapfen Fußball. Faustina führte sie.  
    Es war kühler unter den Tannen. Der holprige Weg war von Tannennadeln bedeckt. Die Kinder erholten sich im erfrischenden Schatten. Vielleicht sollten sie hier, wo die Luft kühler war, noch einmal rasten – aber da bemerkte Tessa, dass sich in den Bäumen etwas bewegte. Soldaten huschten zwischen den Tannen hindurch. Im Waldesdunkel konnte sie die Farbe ihrer Uniformen nicht erkennen. Sie trieb die Kinder zur Eile an, zählte noch einmal nach, vertat sich, weil sie Angst hatte. Ein überwältigendes Verlangen nach zu Hause ergriff sie, aber sie wusste nicht, wo zu Hause war.  
    Sie traten in den grellen Sonnenschein hinaus. Der Weg führte bergan, Eidechsen flitzten über die Steine. Die Tiefflieger schienen sich ein anderes Ziel gesucht zu haben. Als Tessa sich umdrehte, sah sie, wie weiter unten im Tal unablässig die Granaten fielen. Rauch stieg auf.  
    Faustina setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm, breitete die Karte vor sich aus und strich sich das Haar aus der schweißfeuchten Stirn. Tessa verteilte Wasser und Obst. Es war fast drei Uhr nachmittags, die Hitze hing drückend in der Luft. Einige Kinder schoben sich ihre Pullover unter die Köpfe und schliefen. Tessa klebte Pflaster auf eine Wasserblase, schüttelte Steinchen aus einem Schuh. Ein Mädchen zeichnete mit einem Stock Kringel in den Staub, ein anderes wiegte seine Puppe. Tommaso lag mit angezogenen Beinen auf dem Rücken, die dunklen Augen zum Himmel gerichtet. »Schau lieber nicht direkt in die Sonne, das schadet deinen Augen«, sagte Tessa fürsorglich und schob ihm seinen Sonnenhut über das Gesicht. Aber schon einen Augenblick später schob er ihn wieder hoch und starrte weiter in den Himmel.  
    Als Tessa sich neben Faustina setzte, lächelte diese ihr zu und drückte ihre Hand, ohne etwas zu sagen. Perlita krabbelte zu Tessa herüber und drückte sich an ihren Rock. Tessa streichelte dem Kind über das Haar und schloss die Augen. Sie dachte an ihren Traum und die friedliche Ruhe des Gartens in der Morgenfrühe. So war es also , dachte sie. Sie erinnerte sich, wie schwierig es für sie gewesen war, allein für Angelo zu sorgen, wie sehr sich die Wirklichkeit des Mutterseins von ihren Vorstellungen unterschieden hatte. Wie jung sie gewesen war, wie unwissend und wie alleingelassen. Sie war wegen Mrs. Rycrofts Anruf nach Oxford gefahren, weil sie Milo Rycroft geliebt und Angst gehabt hatte, ihn zu verlieren. Es war keine Nichtigkeit gewesen. Liebe war nichts Nichtiges, das wusste sie jetzt. Auch wenn sie vielleicht nichts anderes in ihrem Leben gelernt hatte – das hatte sie begriffen.  
    Bis Greve seien es noch knapp fünf Kilometer, sagte Faustina, die aufgestanden war und sich Staub und Tannennadeln von den Kleidern klopfte. Sie müssten sich beeilen. Wieder zählte Tessa die Kinder, achtzehn, ja, das stimmte. Sie nahm die Kleinsten an der Hand; Perlita lief jammernd ein paar Schritte hinterher. Faustina nahm einen kleinen Jungen Huckepack, und sie begannen den Abstieg. Sie konnte jetzt an nichts denken als daran, beharrlich Schritt für Schritt den Hang hinunter zu setzen. Nicht an Guido, nicht an Angelo. Es gab nur diesen Augenblick, die Hitze und den Weg.  
    Die Flugzeuge kamen von hinten, eine Formation von

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