Der italienische Geliebte (German Edition)
war während des Krieges von der Royal Air Force beschlagnahmt gewesen und zeigte noch Spuren der damaligen Besetzung – eine Gasmaske an einem Garderobenhaken, ein Feldstecher im Lederetui. Es gab eine Küche, Wohnzimmer, Esszimmer und zwei Schlafräume. Die Toilette war im Haus, Gott sei Dank, allerdings ohne Badezimmer. Hinten war ein verwilderter Garten, neben Brennnesseln und Brombeergestrüpp größtenteils ungepflegter Rasen, an den ein Buchenwald grenzte. Der nahtlose Übergang vom einen zum anderen gefiel ihr.
Das Cottage kostete fünfhundertzwanzig Pfund. Nach dem Verkauf von Hatherden hatte Rebeccas Erbanteil rund dreihundertfünfzig Pfund betragen. Auf ihrem Konto lag immer noch ein ansehnlicher Betrag aus dem Erlös der Alten Mühle – sie hatte in den Jahren auf dem Mayfield-Hof kaum etwas verbraucht, weil sie als Gegenleistung für ihre Mitarbeit auf dem Hof dort kostenlos lebte. Sie konnte es sich also leisten, das Cottage zu kaufen, ohne sich zu verausgaben, und ersteigerte es gleich am folgenden Wochenende. Sobald die Formalitäten erledigt waren, ließ sie ihre damals eingelagerten Sachen aus der Alten Mühle in ihr neues Haus bringen. Sie war offenbar dazu verdammt, dachte sie bei der Wiederbegegnung mit Sesseln, Tischen und Sofas aus ihrer Ehe mit Milo, ihr früheres Leben niemals ganz loszuwerden. Man konnte eben der Vergangenheit nicht entfliehen. Aber sie freute sich, ihre Küchengeräte, ihre guten Töpfe, ihr Porzellan und ihre Gläser wiederzuhaben, und wenigstens brauchte sie jetzt keine Lagergebühren mehr zu bezahlen.
An schönen Abenden beobachtete sie vom Küchenfenster aus die Kaninchen, die im Gras herumhoppelten. Manchmal flatterte mit blau blitzendem Gefieder ein Häher aus einem Baum herab. Der Postbote und die Leute im Dorf nannten das Cottage ›die Schmiede‹, und dabei blieb es. Sie richtete zuerst das Haus ein, dann nahm sie das Atelier in Angriff. Sie räumte den Müll heraus und verbrannte ihn, schleppte die rostige Egge ins hohe Gras hinaus, wo sie, fand Rebecca, fast wie eine Skulptur wirkte. Unter dem Dach hingen Vogelnester, und es gab Ratten. Sie lieh sich bei einem Bauern eine Flinte und machte kurzen Prozess mit den Ratten. In der ganzen Gegend versuchte sie Wellblech aufzutreiben, um das Dach auszubessern. Baumaterialien waren Mangelware – wie im Übrigen auch alles andere einschließlich Lebensmitteln, weswegen sie ein Gemüsebeet anlegte und die Hecken nach Beeren absuchte. Sie fand einen Schreiner, der ihr den Rahmen für das geplante große Fenster an der hinteren Werkstattwand zimmerte, und ein junger Mann aus dem Dorf half ihr beim Bau des Brennofens. Dann nahm sie ihr neues Atelier in Besitz und begann zu arbeiten.
Nach der Entlassung aus der Marine machte sich Lewis, wie Tausende anderer entlassener Soldaten, auf Arbeitssuche. Ein Freund, der in Bristol eine Autowerkstatt hatte, bot ihm eine Stellung an, aber da Benzin immer noch streng rationiert war und neue Autos wegen Materialmangels nicht hergestellt wurden, gab es kaum Arbeit. Nach drei Monaten kündigte Lewis. Er wolle keine Almosen, sagte er zu Freddie; er wolle nicht herumsitzen und Däumchen drehen, nur weil sein Freund, der ein anständiger Kerl sei, ihm helfen wolle.
Sie zogen nach London zurück. Sie gingen aus, amüsierten sich, tanzten auf dem Fest, das die Leavingtons zur Feier der Taufe ihres neugeborenen Sohnes veranstalteten, verbrachten einige ausgelassene Abende mit ehemaligen Marinesoldaten. Freddie schlug vor, sie sollten ein Abendessen geben – sie waren einigen Leuten Einladungen schuldig –, aber Lewis schaute sich nur kurz in der kleinen möblierten Wohnung um und sagte, nein, damit wollten sie lieber warten, bis sich die Lage gebessert habe. Freddie wollte ihm entgegnen, dass es den Leuten doch nichts ausmache, wenn sie am Tisch ein bisschen enger zusammenrücken und von unterschiedlichen Tellern essen müssten, aber dann sah sie den Ausdruck seiner Augen. Es war ein Ausdruck, den sie inzwischen gut kannte, eine Mischung aus Groll, Bitterkeit und Scham.
Er fand eine Anstellung als reisender Vertreter von Rezeptbüchern. Das Geschäft lief hervorragend – er war attraktiv, hatte gute Manieren, die Hausfrauen, die ihm auf sein Klopfen öffneten, waren begeistert. Es gebe Nachfrage nach einem brauchbaren, modernen Rezeptbuch, erklärte er Freddie – diese Frauen, die vorher alle beim Militär oder in Fabriken gearbeitet hatten, seien jetzt zu Hause
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