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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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mit Mitte Dreißig, manchmal schon früher, aus dem Beruf zurückziehen; manche bringen ihnen sogar Englisch bei oder finanzieren ihnen Sekretärinnenkurse – doch so viel Weitblick ist nicht allzu häufig. Aus den Augen der Frau, die ich nun sehe, spricht alles andere als Weitblick: Sie ist korpulent, hart, etwa fünfzig und hat ein nußbraunes, ständig mürrisch verzogenes Gesicht.
    »Wir haben geschlossen. Komm um sechs wieder.«
    Sie hält mich für einen farang. »Ich bin Polizist«, sage ich auf thai und halte ihr meinen Ausweis hin. Ein bißchen verändert sich ihr Verhalten, aber nicht viel.
    »Was willst du, Khun Cop? Der Chef zahlt Schutzgelder, laß mich in Ruhe.«
    »Das ist keine Razzia.«
    Sie sieht sich nach weiteren Polizisten um. Als sie keinen entdeckt, lacht sie verächtlich. »Die Mädchen sind noch nicht soweit. Die oben schlafen, und die andern sind noch nicht da. Was willst du so früh hier? ’nen Gratisfick, weil du ’n Cop bist? Was ist, wenn mein Chef seinem Beschützer Bescheid sagt?«
    »Ich wollte Sie um einen Gefallen bitten.«
    »Klar. Alle Männer bitten uns um einen Gefallen.«
    »Ich brauche ein Mädchen aus Laos.«
    Sie grinst. »Ein Mädchen aus Laos? Dreißig Prozent unserer Girls sind aus Laos. Was für eine willst du denn? ’ne Große, ’ne Kleine, eine mit kleinen oder eine mit großen Titten? Blonde haben wir allerdings nicht.« Sie kichert über ihren eigenen Witz. »Wenn du ’ne Blonde willst, mußt du ’ne Russin nehmen.«
    »Ich will eine, die lesen und schreiben kann. Lesen reicht eigentlich schon.«
    »Also keine direkt aus dem Urwald – von denen haben wir auch ein paar, wie alle Bars hier.« Sie runzelt die Stirn.
    »Was hast du vor, Khun Cop?«
    »Können Sie mir helfen? Ja oder nein?«
    Die Mamasan zuckt mit den Achseln und brüllt einen Namen. Jemand brüllt zurück, und kurze Zeit darauf taucht eine junge barfüßige Frau mit langen braunen Beinen und einem weißen Handtuch unter dem Arm auf. »Hol Dou; sie ist in Zimmer drei«, weist die Mamasan sie an.
    Zehn Minuten später erscheint Dou in einem Baumwollkleid, eine etwa zwanzigjährige junge Frau mit hübschem Gesicht, breitem, freundlichem Lächeln und starkem laotischem Akzent. Sie ist aufgeregt, hält mich für einen frühen Kunden. Ich erwidere ihr Lächeln, halte ihr einen Hundert-Baht-Schein und die Fotokopie hin, die Nape für mich gemacht hat. Sie sieht sie fragend an. »Ich möchte nur wissen, was für ein Datum draufsteht.«
    Sie macht große Augen. So leicht hat sie sich noch nie hundert Baht verdient. »2539, Mai, 17.« Sie liest alles in der Reihenfolge vor, wie es gedruckt ist.
    »Danke.« Ich reiche ihr den Schein.
    Dann bitte ich die Mamasan um ihr Telefon, das sie hinter der Theke hervorholt. Im Kopf habe ich inzwischen das Jahr nach dem christlichen Kalender ausgerechnet; die farangs wollen nicht wahrhaben, daß wir ihnen um fünfhundert Jahre voraus sind.
    Rosen hat mir seine Visitenkarte mit seiner Handynummer gegeben. Ich wähle, und als er sich meldet, sage ich:
    »17. Mai 1996.«
    Schweigen, dann: »Wenn Quantico das bestätigt, schulde ich Ihnen einen Tausender.« Wieder Schweigen. »Sagten Sie 1996? «
    Ich bejahe und lege auf. Es ist drei Uhr einunddreißig.
    Draußen gehe ich in der Hitze in Richtung Sky-Train-Station, vorbei an Ständen mit Handtaschen, T-Shirts, Jeans, Shorts, Badebekleidung – alles Designerimitate –, dazu Raubkopien von CDs, DVDs, Videos und Kassetten. Die Buden befinden sich im Besitz von Taubstummen, die sich in Zeichensprache über die Straße hinweg unterhalten. Diese Straße wäre ein Mekka für die Polizei, aber die Taubstummen scheinen kein bißchen Angst zu haben.

9
    Wie viele Leute benutze ich den Sky Train gern, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. Die Logik des Systems ist unanfechtbar: Wenn man dem Verkehr ein Schnippchen schlagen will, muß man sich darüber erheben. Dieses Projekt wurde mit ausländischem Kapital und Know-how verwirklicht, und zwar mit verdächtiger Leidenschaft seitens unserer Politiker. Scheinbar jahrzehntelang waren ganze Stadtviertel abgesperrt, während Armeen von Männern und Frauen mit gelben Schutzhelmen die Betonpfeiler und Hochbahnschienen nach dem neuesten Stand der Technik errichteten. Jetzt ist die erste Phase des Projekts abgeschlossen, und die riesige Stadt hat es verschlungen, als wäre es überhaupt nicht da. Kopfschüttelnd fragen wir uns alle: Und dieser gigantische Aufwand für zwei Linien?
    Die

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